Dass Una (Rooney Mara) keine glückliche Frau ist, erkennen die Zuschauer dieses Films bereits in den ersten Szenen. Diese zeigen Una beim freudlosen Tanz in einem dunklen Club, beim mechanischen Sex mit einem Unbekannten auf der ­Toilette und beim trübsinnigen Frühstück mit einer verhärmten Mutter. Man ahnt also, dass sie nichts Gutes im Schilde führt, als sie sich telefonisch krankmeldet und in ein Auto setzt. Ihr Ziel ist ein Industriegebiet mit großem Logistikunternehmen. Sie fragt nach Ray, zeigt ein Foto und wird schließlich durch lange Werkshallen zu einem Mann namens Peter (Ben Mendelsohn) geführt. Für den bleibt sichtlich die Welt stehen, als er sie erblickt.

Mit „Una und Ray“ hat der australische Theaterregisseur Benedict Andrews ein Zweipersonendrama aus der Feder des schottischen Autors David Harrower verfilmt. Es geht um Missbrauch oder besser gesagt: ein „unangebrachtes“ Verhältnis. Una war 13 und Ray Mitte 30, als er, der ältere Nachbar, sie einst zu umwerben begann.

Andrews zeigt die Erinnerung daran idyllisch eingefärbt als Beginn einer Freundschaft mit Geheimnissen, an denen das kleine Mädchen zunächst auch seine Freude hat. Die erwachsene Frau aber traktiert ihr Gegenüber mit harten Anklagen. Der Film will die Vielschichtigkeit des Themas ausloten, will den Täter nicht entschuldigen, aber doch auch die ambivalenten Bedürfnisse des Mädchens betonen. Leider reiht er dabei in ­ungewollt theatralischer Manier ein Klischee an das andere und fügt der Sensationsgier seines unbequemen Themas nichts hinzu.

„Una und Ray“ GB 2017, 94 Min., ab 12 J., R: Benedict Andrews, D: Rooney Mara, Ben Mendelsohn, Riz Ahmed, Tara Fitzgerald, Tobias Menzie, täglich im 3001