Der zweite Teil der Erfolgskomödie reiht Gags wie aus dem Zufallsgenerator aneinander

Der Buchmarkt erzählt manchmal ganz besondere Erfolgsgeschichten. 2009 veröffentlichte der im Ausland kaum bekannte Journalist Jonas Jonasson sein Buch „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, eine Mixtur aus geriatrischer Gangsterstory und einem an Forrest Gump erinnernden Ritt durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Diese Mischung kam gut an: Der „Hundertjährige“ wurde in 35 Sprachen übersetzt und sechs Millionen Mal verkauft. Etwas an der Hauptfigur Allan Karlsson, sowohl in der ersten Verfilmung wie in der Fortsetzung gespielt von Robert Gustafsson, scheint weit über Sprach- und Mentalitätsräume hinweg Empathie zu wecken: Vielleicht ist es das stoisch ertragene Bewusstsein, im nächsten Moment schon im Grab liegen zu können, und die damit verbundene, nicht minder stoische Weigerung, die Lebenszeit durchs Pläne­machen zu verschwenden.

So war es schon im ersten Teil, in dem Karlsson aus einem Impuls heraus aus dem Altenheim türmt, dann wie im Affekt am Bahnhof zum Dieb eines Koffers wird, der dann zufälligerweise einen riesigen Batzen Drogengeld enthält. Karlsson folgt einer Lebensphilosophie, die in unserem Zeitalter sorgsam durchdesignter Biografien ebenso fremd wie anachronistisch wirken muss: Tu, was du willst, und grüble nicht lang, deine Zeit ist eh befristet.

Das ist es wohl, was so viele Menschen verstanden und was sie berührte. Und das ist es auch, was die Fortsetzung antreibt – die diesmal nicht auf einer Romanvorlage basiert, sondern von den Regisseuren Felix und Måns Herngren direkt nach Abschluss der Arbeiten am ersten Film entwickelt wurde.

Die Handlung schlägt dabei wieder dieselben abstrusen Volten, die auch zum Charakter der Hauptfigur passen. Sie setzt dort ein, wo der erste Teil endete: auf Bali, wo sich Allan mit seinen Freunden zur Ruhe gesetzt hat. Aber da er so etwas wie Ruhe ja eigentlich nicht kennt, ist es damit ziemlich schnell vorbei. Und außerdem ist das Geld sowieso schon wieder alle. Allan öffnet die letzte Flasche Volkssoda, die noch aus der Zeit stammt, als er Gelegenheitsspion im Kalten Krieg war. Das Volkssoda schmeckt nicht nur derart fantastisch, dass jeder der Freunde sofort alles dafür aufgeben würde. Er erinnert sich an die Zeiten, als Breschnew versuchte, der amerikanischen Populärkultur eigene Erzeugnisse entgegenzusetzen – und dabei allerlei Rückschläge hinnehmen musste, mit Ausnahme jener eher durch einen Zufall erzeugten, in der Tat umwerfend schmeckenden Brause, in der ­US-Präsident Nixon gleich eine Gefahr für die Produkte seines Heimatmarkts entdeckte.

Das ist alles natürlich aus den Geschichtsbüchern nicht rekonstruierbar, aber das ist hier auch nicht entscheidend. Wichtig ist, dass in Allans Gegenwart nun alle Welt von wilder Gier nach dem guten Getränk durchzuckt wird. Sein Freund Julius glaubt darin den Schlüssel zu ewigem Reichtum zu erkennen und will an das Originalrezept gelangen, die schwangere Miriam entwickelt eine heftige Sucht auf die Brause, die dazu führt, dass sie seine Hinterlassenschaften im schwedischen Altenheim durchsuchen lässt. Und durch ein YouTube-Video wird Allan zur Internet-Berühmtheit, was wiederum die Tochter eines russischen Spions auf ihn aufmerksam werden lässt, die ihn für den Tod ihres Vaters verantwortlich macht.

Mit anderen Worten: Die Geschichte entwickelt sich wie vom Zufallsgenerator geschrieben. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn den Regisseuren kommt es auf die Pointendichte an, und da kann man in absurden Verwicklungen reiche Ernte einfahren. So wird „Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“ seinen Fans genau das liefern, was sie erwarten: viel Gelegenheit zum Lachen.

„Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und
verschwand“
SWE 2016, 108 Min.,
ab 12 J., R: Felix und Måns Herngren,
D: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, David Wiberg, Caroline Boulton,
täglich im Blankeneser,
Cinemaxx Dammtor, Koralle, Passage, UCI Mundsburg/Othmarschen;
www.derhunderteinjaehrige-film.de