Wenn in Abu Dhabi Vorurteile auf die Wirklichkeit treffen. Eine Reise ins Herz meiner Charakterdunkelheit

Ich bin gut. Ich bin Mitglied eines Tierschutzbündnisses, einer Aktion gegen Rechtsextremismus und einer Initiative zur Bekämpfung seltener Krankheiten. Zu unserem Gutsein gehört, dass wir keine Vorurteile haben. Außer gegen Erdogan-Wähler, gegen religiöse Menschen und gegen Leute, die Geländewagen mit 600 PS cool finden. Von denen treffen wir aber keinen – können also in aller Ruhe gut bleiben.

Jetzt bin ich auf der Suche nach Sonne allerdings mitten in das Herz meiner eigenen Charakterdunkelheit gereist. Hier im Mittleren Osten steht meine Vorurteils-Ladeanzeige permanent auf 100 Prozent. Nichts, worüber ich nicht längst Bescheid wüsste, ohne es genauer zu kennen. Leider wollen sich die Einheimischen nicht in meine Schablonen einpassen. Es kann doch nicht sein, dass der Fahrer auf dem Weg vom Flughafen Ed Sheeran hört. Er muss doch jetzt bald vor einem amerikanischen Schnellrestaurant halten, „Allahu akbar“ rufen und die Bombe im Kofferraum zünden.

Wieso sitzen diese verschleierten Frauen einfach so bei Starbucks, als wäre nichts? Müssten die nicht Thesenpapiere für den nächsten Arabischen Frühling verfassen und dann endlich ihre Unterdrückung beenden? Warum lacht mich Nelson aus Uganda am Hoteleingang so sonnig an? Nelson ist hier doch versklavt. Was gibt es da zu lachen? Oder diese arabische Schrift. Die kenne ich nur, wenn ein ZDF-Terrorexperte übersetzt, was Ungläubigen alles abgeschnitten gehört. Hier wird mit arabischer Schrift hingewiesen: „Fußgänger: Für Grün hier drücken“. Wie verharmlosend.

Die größte Moschee des Ortes ist so schön, dass ich spontan konvertieren möchte. Dann aber zu meiner Erleichterung eine Meldung aus Deutschland: Hier in Abu Dhabi wurden zwei Westler eingesperrt, weil sie außerehelichen Geschlechtsverkehr hatten. Mehr muss niemand wissen. Das Böse bleibt sich treu. Gut für uns Gute.