Kaum sind die giftigen vier Buchstaben ausgesprochen, ist jede politische Debatte beendet

Der Rechtsanwalt Mike Godwin formulierte einst ein schlaues Gesetz: Je länger eine Debatte dauere, desto wahrscheinlicher sei, dass jemand einen Nazi-Vergleich anbringe. Dazu lassen sich zwei Untergesetze formulieren. Erstens: Sind Deutsche beteiligt, wird aus Wahrscheinlichkeit ziemliche Sicherheit. Und zweitens: Kaum sind die giftigen vier Buchstaben ausgesprochen, ist jede Debatte beendet. Statt Argumenten folgen Empörung, Zorn, Verstimmung. Es gilt die Sponti-Weisheit: Wer zuerst „Nazi“ sagt, hat gewonnen.

Der Vergleich an sich ist eine schöne Spielart bildhafter Sprache. „Er kickte wie eine Schrankwand“ verdeutlicht und verdichtet beispielsweise aufs Hübscheste die Leistung eines Fußballers. Nazi-Vergleiche hingegen haben keinerlei illustrative Funktion, sondern wollen nur eines: aufregen, provozieren, Debatten beenden. Womit wir bei Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan wären. Alle drei sind so gern wie schnell mit toxischen historischen Analogien zur Stelle. Klar, Nazi-Vergleiche sind für Populisten hochattraktiv: polarisierend, passen immer, stimmen nie. Wenn aber alles Nazi ist, ist irgendwann nichts mehr Nazi, nicht mal AfD-Führerlein Höcke.

Mit ritualisierter Empörung werden sich die allseits beliebten Nazi-Vergleiche kaum unterbinden lassen. Ist einfach zu schön, wie reflexhaft noch der verschlafenste Hinterbänkler loszetert. Was also tun? Ganz einfach. Die Erwartungen der Nazi-Vergleicher mit kühner Gelassenheit durchkreuzen und einen Moment des Nachdenkens wagen. Statt dem Lockruf der ersten naheliegenden Emotion zu folgen, könnte man Herrn Erdogan ein Buch über den Völkermord an den Armeniern schicken, mit ein paar sachlichen Zeilen. Die ärgsten Feinde vorsätzlicher Falschheit bleiben ruhige, kühle Fakten.