Die Musikkabarettistin Turid Müller hat mit ihrem ersten Soloprogramm am 10. März Premiere im Hamburger Sprechwerk

Anne-Marie Figgen ist Psychologin. Sie soll vor Business-Leuten einen Vortrag halten, doch immer wieder schweift sie von den Themen ab, die in großen Buchstaben auf ihren Flip-Charts stehen. Sie gerät ins Plaudern, sie steigert sich ins Schimpfen, denn es läuft gerade so viel schief in der Welt. Anne-Marie Figgen ist ein Gutmensch, sie isst nur Bio, sie ist politisch engagiert, aber irgendwie muss auch das Geld für die Miete reinkommen. Deshalb der Vortrag vor den Business-Typen, die ihr eigentlich zuwider sind. Aber so ist es nun mal mit den Teilzeitrebellinnen wie der blonden Psychologin mit der modischen Brille: Hundertprozentige Konsequenz funktioniert leider nicht.

„Teilzeitrebellin“ heißt das Programm von Turid Müller, das am 10. März im Hamburger Sprechwerk seine Premiere erlebt. Müller, selbst diplomierte Psychologin und ausgebildete Schauspielerin, schlüpft in die Rolle der singenden Psychologin Anne-Marie Figgen. Zusammen mit dem Pianisten Stephan Sieveking hat sie eine ganze Reihe von kritischen Liedern geschrieben, deren roter Faden Figgens Vortrag ist.

„Ich packe mir natürlich auch an die eigene Nase, wenn ich in diese Figur hineinschlüpfe“, sagt die Musikkabarettistin. Denn die Zweifel, die ihre Theater­figur bewegen, sind ihr selbst auch nicht so fern. Politische und gesellschaftliche Themen, die gerade obenauf liegen, fließen genauso in ihre Nummern ein wie Begriffe aus der Organisationspsychologie, wie Modewörter und Worthülsen, die sie kritisch unter die Lupe nimmt: wie zum Beispiel den Begriff „das scheue Reh des Kapitals“, eine steuerpolitische Phrase des Neoliberalismus. „Wie prägen solche Ausdrücke unsere Haltung?“, fragt Müller. Als mögliche Antwort hält sie den „Rehbraten“ parat.

Unter ihrer Anleitung mussten auch Führungskräfte Songs schreiben

Die Hamburger Künstlerin hat ein paar Jahre gebraucht, bis ihr klar war, welchen Weg sie einschlagen wollte. Nach dem Abitur hat sie zuerst Politik, dann Psychologie studiert, parallel eine Schauspielausbildung gemacht und kreativ gearbeitet, Gesangsunterricht genommen und Songs geschrieben. Sie hat 2013 den Verein Theater Wendemut gegründet und auch als Psychologin gearbeitet, zum Beispiel in einem Projekt mit Führungskräften, die unter ihrer Anleitung Songs schreiben mussten. „Ich bin lange auf der Suche gewesen“, sagt sie.

Ein Stipendium der Gema-Stiftung „Celler Schule“, bei der sie in der Master­class mit dem Schwerpunkt Songtexten saß, hat sie weiter darin bestärkt, sich intensiv dem Musikkabarett zu widmen: „Ich musste einen Rahmen finden, in dem ich die Songs zusammenbringe.“ Seit Herbst 2015 arbeitet sie mit dem Pianisten Stephan Sieveking, der schon als musikalischer Direktor in der Neuen Flora („Dirty Dancing“) und im Altonaer Theater („Das Orangenmädchen“) wirkte. Sie schreibt Texte und Melodien, er arrangiert. Resultat ist die „Teilzeitrebellin“.

Bei Turid Müller mischen sich die Welt des Theaters und der Psychologie. „In beiden Bereichen geht es ums menschliche Miteinander. Das studiert der Schauspieler genau so wie der Psychologe“, sagt sie. Mit ihren Programmen will sie unterhalten, aber auch Haltung zeigen. Ihr Flyer für die „Teilzeitrebellin“ bringt es auf den Punkt: „Worunter ich leide? Unter Haltung“, steht dort in schwarzen Lettern auf einer Wand mit abblätternder Farbe . Turid Müller ist sicher, dass sie gerade genau das Richtige tut: „Es ist gerade eine gute Zeit für Kabarett.“

„Teilzeitrebellin“ Premiere Fr 10.3, auch Sa 11.3., jeweils 20.00, Sprechwerk (U/S Berliner Tor), Klaus-Groth-Straße 23, Karten zu 19,40 im Vvk.;
www.teilzeitrebellin.de