Schenefeld/Rellingen. Der Rellinger Galerist Gerd Uhlig erforscht die Geschichte eines geheimnisvollen Ölbildes, das um die Jahrhundertwende entstand. Dann lässt er das Werk restaurieren

Ein völlig ramponiertes Ölgemälde, Typ Seestück mit sturmgepeitschten Wogen, signiert von einem Maler namens J. H. Brandt mit dem Zusatz „1904“. Auf der Rückwand des Bildes findet sich noch folgender Vermerk: „Dieses Bild habe ich am 22. Mai 1904 in Kopenhagen gewonnen. Gustav Schäfer.“

Was soll man damit anfangen? Das fragte sich zunächst auch Gerd Uhlig. Dem Rellinger Kunstkenner und Galeristen war das Werk vor gut zwei Jahren von einer Familie aus Schleswig-Holstein angeboten worden. Die Erbengemeinschaft war während einer Haushaltsauflösung in einem Dorf an der Geltinger Bucht beim Entrümpeln des Dachbodens auf das Gemälde gestoßen.

Top oder Flop? So lautet die Frage vor allem dann, wenn es um heruntergekommene, vermeintliche oder echte Raritäten geht, deren Qualität sich auf den ersten Blick nicht erschließen lässt. Immer wieder werden Uhlig in seiner Galerie im Stadtzentrum Schenefeld Gemälde unterschiedlichster Stilrichtungen angeboten. „Etwa 80 Prozent der Angebote sind dritte Liga“, umschreibt es der Galerist liebevoll. Nicht minder freundlich macht er dann den Besitzern klar, dass mit den Stücken kein Geschäft zu machen ist.

Aus der Urlaubsreise wird eine aufwendige Ermittlungstour

Bei der Bewertung kommt dem Rellinger, der früher als Diplomingenieur für Nachrichtentechnik arbeitete, nicht nur seine in sieben Jahren Unruhestand gesammelte Erfahrung als Galerist zugute. Als junger Mann hat Uhlig auch einige Semester Kunstgeschichte studiert, außerdem war seine Großmutter eine Kunstmalerin.

Doch beim Seestück helfen auch diese Grundlagen zunächst nicht. „Das Bild war in einem katastrophalen Zustand”, erinnert sich der Galerist an die erste Begegnung mit dem Nachlass. Zudem kann Uhlig mit dem Namen J. H. Brandt nicht so recht etwas anfangen. Er beschließt, zu recherchieren.

Immerhin handelt es sich bei dem aus Dänemark stammenden Bild um ein Werk im Stil des Klassizismus. Und diese Kunstrichtung ist in Skandinavien derzeit im Trend, findet Uhlig heraus. Grund genug, sich auf Entdeckungsreise zu begeben. Im Internet findet sich eine erste Spur: Vor sieben Jahren war ein Ölgemälde von J. H. Brandt im Londoner Kunst-Auktionshaus Christie’s für mehr als 5000 britische Pfund versteigert worden. Na, wenn das kein Motivationsschub ist!

Uhlig verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen und geht während einer Urlaubsreise nach Dänemark im hohen Norden Jütlands auf Ermittlungstour. Wie ein Detektiv sucht er nach Brandt-Spuren und wird im Skagens Museum fündig. „Ich entdeckte ein auf Englisch verfasstes Buch, das den Maler als Mitbegründer einer Künstlerkolonie auf der Bornholm ausweist“, berichtet Uhlig. Dort war dann auch das Seestück von Johannes Herman Brandt, so sein voller Name, entstanden. Der Maler lebte von 1850 bis 1926.

Gerd Uhlig beschließt, das Bild zu kaufen.Über den Preis gibt es wie üblich keine Auskunft. Der Galerist gibt dem Bild den Titel „Sturm vor Bornholm”.

Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit: Rund eineinhalb Jahre nimmt sich der Rellinger Zeit, bis sein Neuerwerb endlich ausgestellt und zum Verkauf angeboten werden kann. Das verfärbte Gemälde gibt Uhlig an die renommierte Hamburger Restauratorin Annette Stams-Schmitt weiter. Die geht mit Akribie, Feingefühl und geheimen Rezepturen daran, das Werk von seiner schmuddeligen Oberfläche zu befreien. Doch auch die beschädigten Farbschichten auf der Leinwand müssen restauriert werden. Dafür kommen Farben zum Einsatz, die mit den damals üblichen Mitteln angemischt werden. Der Keilrahmen, den die Leinwand überspannt, war vom Holzwurm zerfressen. „Da bröselte hinten alles raus“, erinnert sich Uhlig. Daher musste diese tragende Konstruktion sogar komplett erneuert werden.

Umso mehr freut sich der Galerist, dass nun in seinem Schenefelder Hauptquartier bildlich gesprochen stets Unwetter herrscht. Das restaurierte Ölgemälde zeigt, kontrastreich und farbstark wie frisch vollendet, die tobende See und die schäumende Gischt unter dem finsteren Himmel. Sogar ein Boot zwischen den Wogen – bei Seestücken fast unverzichtbar – ist zu erkennen.