Hamburg. Hamburger Traditionswerft ist laut neuem Eigentümer in „kritischem Zustand“ – 300 Jobs sollen wegfallen

Die Hamburger Werft Blohm + Voss steht vor einem massiven Schrumpfungsprozess. Kosten sollen gesenkt, das Werftgelände verkleinert und rund 300 Stellen gestrichen werden. Damit fällt jeder dritte Arbeitsplatz der 980 Beschäftigten weg. Betriebsbedingte Kündigungen werden nicht ausgeschlossen. Das teilten Geschäftsführung und Aufsichtsrat am Dienstag bei einer Betriebsversammlung in Hamburg mit. Durch hohe Kostenstrukturen, versäumte Investitionen und einen zu niedrigen Auftragsbestand befinde sich Blohm + Voss „in einem kritischen Zustand“, teilte die Bremer Lürssen-Gruppe mit, die Blohm + Voss Ende vergangenen Jahres übernommen hat. Um die Werft langfristig wieder wettbewerbsfähig und profitabel zu machen, seien Anpassungsmaßnahmen auf allen Ebenen notwendig.

In ihrer Mitteilung sparten die neuen Eigentümer auch nicht mit Kritik am früheren Management der Werft: Eine mehrwöchige Analyse habe gezeigt, dass dringend erforderliche Investitionen in den letzten Jahren ausgeblieben seien, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende von Blohm + Voss, Klaus Borgschulte, der selbst bis vor zehn Jahren zum Vorstand der Hamburger Werft gehört hat und dann zu Lürssen wechselte. „Konstruktions- und Fertigungsprozesse wurden nicht ausreichend modernisiert und die Kostenstrukturen nicht den realen Bedingungen angepasst.“ Zeitgleich sei der Auftragsbestand im Schiffneubau erheblich gesunken. Erschwerend belaste die schwache Auftragslage in Teilen des Reparaturgeschäfts als Folge eines insgesamt schwierigen Marktumfelds das Unternehmen.

Der Geschäftsführer von Blohm + Voss, Dieter Dehlke, ergänzte: „Wir stehen heute vor der enormen Herausforderung, den für das Unternehmen in den vergangenen Wochen entwickelten Maßnahmenkatalog zur Standortsicherung zeitnah umzusetzen und die Werft damit für die Zukunft bestmöglich aufzustellen. Dazu werden wir auf allen Ebenen zahlreiche strukturelle und organisatorische Anpassungen einleiten. Dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, werden wir investieren, um die Potenziale unserer Werft gezielt zu modernisieren und zu stärken.“

Nach der Betriebsversammlung demonstrierten rund 900 Beschäftigte vor dem Werkstor für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. „Wir sind sauer, wir sind wütend und enttäuscht“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Murat Acerüzümoglu. Die Arbeitnehmer müssten nun für die Versäumnisse der Geschäftsführung büßen. Der Zweite Bevollmächtigte und Geschäftsführer der IG Metall Hamburg, Emanuel Glass, rief die Politik dazu auf, sich einzuschalten und für den Erhalt der Arbeitsplätze auf Steinwerder einzutreten.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sagte, er werde „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ versuchen, die Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzumildern. „Blohm + Voss muss solide für die Zukunft aufgestellt werden. Gerade für einen international bedeutenden Hafenstandort ist es wichtig, das maritime Know-how zu erhalten.“ Heute sollen die konkreten Gespräche zum Stellenabbau beginnen.

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