Wer zu viel davon trinkt, säuft sich im schlimmsten Fall tot. Aber woher kommt der Wahn, es zu übertreiben?

Zu den großen Lügen des postfaktischen Zeitalters gehört die Wassermär. Noch jede welkende Aktrice erklärt, dass Straffheit im Rentenalter weder Pharmazie noch Chirurgie zu verdanken sei, sondern allein dem exzessiven Konsum spirituell geladenen Quellwassers. Drei Liter am Tag müssen es sein, weswegen aus jeder Handtasche inzwischen eine Flasche ragt, kaum dass die Temperaturen über null gehen. Wasser ist ja so gesund.

Welch ein Irrtum. Mediziner haben mehr als ein Dutzend Fälle dokumentiert, wie sich Menschen, von Hobbysportlern bis zu Yoga-Jüngern, schlicht totgesoffen haben, mit Wasser. Hyponatriämie heißt das Phänomen, wenn Wasser satt erst Salzspiegel und dann den Zelldruck verändert. Im besten Fall folgt Schwindel, im schlechtesten Fall der Exitus. Auch Betreiber von Theatern und Lichtspielhäusern vermelden anschwellende Probleme mit dem Wasserwahn. Kein Kinobesuch, ohne dass die am Eingang erworbenen Ein-Liter-Gebinde entsorgt werden müssen. Permanentes Drängeln durch die Reihen. Draußen in der Warteschlange können die Zuletztgekommenen den vorn Trippelnden immerhin berichten, was drinnen passiert ist.

Früher, als alles besser war, predigten die Eltern vor der Fahrt in den Sommerurlaub, dass das Kind nichts trinken möge, um Boxenstopps zu minimieren. Folter durch Flüssigkeitsentzug, jammert die Bärlauch-Fraktion und fordert beim Elternabend ein Grundrecht auf Trinken im Unterricht, was der Tintenschrift selten guttut. Mehr Kindeswohl durch gesenkten Blasendruck, entgegnet der Pragmatiker.

In Paris, wo Revolutionen beginnen, wird der Pinkelwut nun innovativ begegnet, denn Wildurinierer beschleunigen die Korrosion von Laternenmasten (schlecht) und Parkuhren (nicht so schlecht) und verseuchen die Seine. In Frankreichs Hauptstadt wird das „Uritrottoir“ getestet, eine ökofreundliche Box mit Sägemehl, obendrauf hübsch bepflanzt. Ein Computer meldet den Wasserstand. Nach maximal 600 Geschäften wandert die Kiste auf den Kompost. Klarer Fall von Eau de Toilette.