Berlin.

Tippt man den Namen „Dolly“ in eine Internetsuchmaschine, erscheint nicht etwa als Erstes der Eintrag zu der Sängerin Dolly Parton. Nein, es ist ein Schaf – das seinen Namen der Sängerin zu verdanken hat. Das Schaf ist weltberühmt, per Geburt. Denn es war das erste Säugetier, das von Zellen eines erwachsenen Tieres geklont wurde. Eine Sensation damals.

Ziemlich genau zwanzig Jahre sind seit den ersten Berichten über Dolly vergangen. Seither sind viele Klontiere gefolgt. Etwa Uschi, die Kuh, der Wissenschaftler der Ludwig-Maximilian-Universität in München (LMU) zum Leben verhalfen. Sie war das erste in Deutschland geklonte Säugetier. Das Verfahren, das Dolly und Uschi erschuf, ist inzwischen längst erprobt: Der somatische Zelltransfer (SCNT). Es gab Anstoß für neue Denkrichtungen. Heute arbeiten Forscher bereits an der Heranzüchtung menschlicher Organe in transgenen Schweinen.

Namhafte Forscher hieltenes für Betrug

Noch vor zwanzig Jahren war allein die Existenz Dollys so sensationell, dass nicht einmal die Forschungswelt so recht daran glauben wollte. „Es gab Wissenschaftler, die uns Betrug vorwarfen“, erinnert sich Angelika Schnieke von der Technischen Universität München. Sie arbeitete damals für ein Biotech-Unternehmen in Schottland, das an der Entstehung Dollys am Roslin-Institut beteiligt war. Auch Eckhard Wolf vom Genzentrum der LMU, der Kuh Uschi klonte, erinnert sich: „Die Reprogrammierung einer ausdifferenzierten Zelle hielten auch namhafte Forscher schlicht für unmöglich.“

Dem Klonen von Organismen liegt die Reprogrammierung seiner Zellen zugrunde. Das Prinzip: Zunächst sind embryonale Zellen totipotent, können also einen ganzen Organismus bilden. Später spezialisieren sie sich auf bestimmte Aufgaben, sie werden zu Haut oder Herz. Man spricht von Ausdifferenzierung. Diese wird für das Klonen rückgängig gemacht.

Beim somatischen Zelltransfer wird der Zellkern mit seinen Erbinformationen aus einer Eizelle entfernt. In diese entkernte Eizelle wird dann der Zellkern einer bereits ausdifferenzierten Körperzelle eines anderen Tieres transferiert, was zur Reprogrammierung der Zelle führt. Im Fall von Dolly war es die Euterzelle eines Schafs. Diese veränderte Eizelle wird dann in einer Nährlösung zur Teilung angeregt und einer Ersatzmutter eingepflanzt.

Nach Dollys Geburt kursierten wilde Geschichten. Besonders die Frage, ob der Reproduktion des Menschen mittels Klonen Tür und Tor geöffnet sein könnte, schien die Menschen zu beschäftigen. Die UNESCO veröffentlichte eine Deklaration, in der es heißt, das reproduktive Klonen von menschlichen Lebewesen stehe der Menschenwürde entgegen. Heute sind sich Forscher einig, dass es schlicht an Motiven fehlt, einen Menschen zu klonen.

Dolly hat in der Wissenschaft vieles in Bewegung gesetzt. „Es hat der Reprogrammierungsforschung einen Schub gegeben“, weiß Eckhard Wolf von der LMU, „bis hin zur Entwicklung der sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen, für die es den Nobelpreis gab.“ Mit ihrer Hilfe könnten künftig Zellen hergestellt werden, aus denen dann auf den Patienten zugeschnittene Gewebe entstehen.

Am Genzentrum der LMU und an der TU München wird derzeit vor allem an der Herstellung von Organen gearbeitet, die einmal in der Transplantationsmedizin eingesetzt werden könnten. In genetisch veränderten Schweinen sollen Organe wachsen, die dem Menschen nützen.

Die genetische Veränderung von Tieren kann auch bei Nutztieren eine Rolle spielen. „Wenn wir zum Beispiel verstehen, warum bestimmte Tiere krankheitsanfällig sind, könnte man Tiere so verändern, dass sie resistent dagegen sind“, sagt Angelika Schnieke, die als Professorin für Biotechnologie der Nutztiere lehrt.

Auch Gedankenspiele für den Naturschutz gibt es. So möchten Wissenschaftler bereits ausgestorbene Arten zum Leben erwecken. De-Extinction wird dieses Bestreben genannt, also die Wiederbelebung. Säbelzahntiger und Mammut könnten nach ihren Vorstellungen wieder durch die russische Tundra ziehen. Der Dodo über die Insel Mauritius spazieren. Jörns Fickel vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin sieht das Bestreben der Kollegen kritisch: „Das Aussterben der Arten hatte ja einen Grund. Wenn man den nicht beseitigt, bringt es nichts, die Arten zurückzuholen.“ Hinzu kämen technisch derzeit nicht zu überwindende Hürden.

Um einen Klon herzustellen, braucht es eine Zelle mit intaktem Zellkern. „Zum Beispiel bei einem Wollnashorn wird das schwierig. Man findet zwar DNA, aber sie ist degradiert“, sagt Fickel. Es wird also keinen „Jurassic Park“ geben, wie so mancher in der Vergangenheit fabulierte? „Nein“, denn im Prinzip brauche man zum Klonen eine DNA, die „gerade erst frisch vom Band gelaufen ist“.

Versuche mit jüngerer DNA gab es bereits. So versuchten Forscher, dem im Jahr 2000 ausgestorbenen Pyrenäensteinbock, auch Iberiensteinbock genannt, neun Jahre später zu neuem Leben zu verhelfen. Das Experiment misslang, das Tier starb nach der Geburt. Auch an der Wiederauferstehung des 1936 ausgestorbenen Tasmanischen Beutelwolfs scheiterten Forscher. „Kümmern wir uns doch lieber um die Arten, die es noch gibt, aber bedroht sind“, sagt Fickel.