Wir sind ein Volk der Lust. Von außen betrachtet muss jeder zuerst das Gegenteil annehmen. Da wirkt es, als hätten wir den Kopf gar nicht frei für irgendein inneres Tosen. Solange uns die Sorge um den Schierlings-Wasserfenchel nicht loslässt – die Pflanze, die womöglich der Elbvertiefung zum Opfer fällt. Oder unser bevorstehendes Duell um das Kanzleramt. Es scheint, als würde sich der sinnenferne Protestantismus in zwei ehrbaren Persönlichkeiten vollen­den. Strenge, Pflicht, keine Verwirrung durch sexy Attribute. Läuft alles nicht so plakativ wie in Südeuropa. In Frankreich und Spanien werden ständig Verteidigungsministerinnen ernannt, für die man augenblicklich Waffenhändler werden möchte. Haben wir alles gar nicht nötig.

Der Deutsche brodelt beständig. Aber leise. Es war kein Platz mehr in irgendeinem deutschen Kino frei, als am 9. Februar der zweite Teil von „Fifty Shades of Grey“ anlief. Schon vorher, als der Werbetrailer ins Netz gestellt wurde, gab es binnen 24 Stunden 114 Millionen Klicks. 571 Millionen Dollar hat der erste Teil der Popo-versohl-Geschichte eingespielt. Mit einem unverhältnismäßig hohen Anteil von deutschen Zuschauern, wie die Auszähler festgestellt haben. Der Film selbst ist hochpolitisch. Sagt er doch, dass die so oft beschworene Schere zwischen Arm und Reich durchaus weiter auseinandergehen darf. Hauptsache, der Junge vom reichen Schenkel der Schere ölt sein Sixpack akkurat und geht mit der prekär beschäftigten Hübschen hin und wieder zu einem frivolen Maskenball. Unter den Trailer im Netz schrieb eine Frau nicht ohne Grund: „Ich schäme mich, das zu schreiben, aber ich freue mich auf den Film.“

Das wird so nicht bleiben. Denn der neue Bundespräsident hat nach einem Thema für seine Amtszeit gesucht und ganz gewiss das deutsche Verlangen gefunden. „Frank und frei“ bekommt eine völlig neue Bedeutung, wenn in die Laternen am Schloss Bellevue erst einmal die roten Birnen eingedreht sind. Der erste Bundespräsident, der zwei Tage vor dem Valentinstag ins Amt gewählt wird. Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit Zufall, und verstecken Sie Ihre Peitsche nicht länger.