Sydney.

Die Geschichte der Blooms stimmt traurig und zugleich hoffnungsvoll. Die australische Familie erlebte, wie sich ein Leben von einem Moment auf den anderen ändern kann. Sam Bloom, die Mutter dreier Jungen, ist seit einem Sturz im Urlaub gelähmt. Die Familie drohte an dem Schicksalsschlag zu zerbrechen. Bis sie einen hilflosen Vogel gesund pflegte – und er im Gegenzug der Familie neue Lebensfreude schenkte.

Nach einem Strandtag während des Familienurlaubs 2013 in Thailand lehnte sich Mutter Sam an das Geländer der Hotelterrasse. Doch die Eisenstangen gaben nach. Sam stürzte mehrere Meter in die Tiefe. „Es gab kein Organ, das nicht in Mitleidenschaft gezogen worden wäre“, sagt Vater Cameron Bloom (45), ein Fotograf. „Ihr Rückgrat war am sechsten und siebten Brustwirbel gebrochen.“

Die heute 45-Jährige ist seitdem von der Brust abwärts gelähmt, wird ihr Leben im Rollstuhl verbringen. Ihr Geschmackssinn funktioniert nicht mehr, Migräne-Anfälle quälen sie. Als Sam Bloom nach sieben Monaten im Krankenhaus wieder nach Hause kam, war sie nicht nur körperlich, sondern auch seelisch am Boden. „Ich fühlte mich, als wäre ich aus dem Koma erwacht und plötzlich 120 Jahre alt“, erzählt Sam. Die ganze Familie war hilflos – und fühlte sich ebenfalls wie gelähmt. Genau zu diesem Zeitpunkt kam „Penguin“ in das Leben der Familie. „Penguin war nur ein kleines Krähenküken mit wackeligem Kopf, als mein Sohn Noah sie auf dem Parkplatz neben dem Haus seiner Großmutter fand“, sagt Cameron Bloom. Das Küken war aus seinem Nest in 20 Meter Höhe gefallen und hatte seinen Flügel verletzt. Damit es überhaupt überleben konnte, brauchte es den Einsatz der ganzen Familie. Die drei Söhne, Mutter und Vater wechselten sich dabei ab, den Vogel zu pflegen. Alle zwei Stunden musste er gefüttert werden. Es war, als hätten die drei Bloom-Söhne noch eine kleine Schwester bekommen. „Wir besaßen keinen Vogelkäfig und hatten auch nicht vor, einen zu kaufen“, sagt der Vater. Schließlich sei Penguin, also „Pinguin“, wie sie die Krähe wegen ihres schwarz-weißen Gefieders getauft hatten, ein Wildvogel. Wie in Sams Fall schien auch Penguins Überleben oft auf Messers Schneide zu stehen. Es gab Tage, an denen die Krähe kaum aß und trank. Doch die Familie gab sie nicht auf. „Wir spielten mit Penguin, sangen ihr vor und sorgten dafür, dass sie isst und ihren verletzten Flügel trainiert“, erinnert sich die Familie. Das Chaos, das der Vogel anrichtete, nahmen die Blooms hin. Anders als Hunde oder Katzen werden die intelligenten Krähen nie stubenrein.

Mit der Zeit wurde Penguin immer zutraulicher, setzte sich auf Schultern und Köpfe, kuschelte im Bett und mit Stofftieren, klaute Spaghetti und schaute Filme zusammen mit ihren „Brüdern“. Je mehr der Vogelnachwuchs aufblühte, umso mehr Lebenswillen gewann auch Mutter Sam – schrittweise wurde auch sie immer selbstständiger, trotz großer Schmerzen. „Wenn es Sam schwerfiel, in Schwung zu kommen, zwitscherte ihr Penguin neue Kraft zu“, sagt Cameron Bloom. Selbst wenn Sam ihre täglichen Therapien bekam, Penguin war stets an ihrer Seite. Die Mutter gewann ungeahnte Kräfte, lernte sogar das Kajakfahren. Auch Vater Cameron arbeitete wieder häufiger als Fotograf.

Foto-Dokumentation ist ein Hit im Internet

Ebenso stellte er die Bilder von Penguin und seiner Familie ins Internet. 240.000 Menschen folgten „penguin­themagpie“ auf Instagram. Ein Buch über die Geschichte wurde in Australien ein Bestseller und ist jetzt auch in Deutschland erschienen. Ein Film mit Hollywoodstar Naomi Watts soll folgen.

Irgendwann wurde Penguin trotz ihrer Flügelverletzung flügge: „Bei allem Respekt für die Gebrüder Wright und ihren historischen Jungfernflug im Jahre 1903, für Familie Bloom fand der bedeutsamste erste Flug aller Zeiten in ihrem Wohnzimmer statt“, sagen die Blooms. Penguin war nach zwei Jahren bei der Familie bereit, in die Welt ­hinauszufliegen. Der Erfolg der Krähe wurde zu dem der Familie Bloom. „Zu Beginn dachten wir, wir würden Penguin retten“, sagen die Blooms. „Doch tatsächlich hat dieser kleine Vogel uns gerettet.“