Orthopädische Schuhmacher suchen Nachwuchs. Der vielseitige Job verlangt Fingerspitzengefühl

in Schuh, ein Meisterstück? Klar geht das, da muss Daniel Kleinworth nicht lange überlegen. „Ich habe einmal an einem Schuh mitgearbeitet, der blinkte beim Gehen, das war schon eine besondere Maßarbeit.“ Auftraggeber war ein Zauberer. Was der Schuh sonst noch alles konnte, darf der Geselle nicht verraten. So viel Geschäftsgeheimnis muss sein. Was die Anekdote dennoch verrät: Orthopädische Schuhtechniker fertigen Sonderexemplare für Leute mit besonderen Wünschen oder besonderen Füßen an, das können Hohl-, Platt- oder Spreizfüße sein, Über- oder Untergrößen.

Dass jedes Fußproblem und jeder Kunde individuell behandelt wird, ist für Daniel das Tolle an seinem Beruf. Obwohl sich der Realschüler zunächst für ein anderes Handwerk im Metallbau entschied, war ihm die orthopädische Schuhtechnik, fast schon in die Wiege gelegt: Sein Vater Jörg Kleinworth hatte eine Ausbildung zum Orthopädie-Schuhmacher absolviert, eine Firma gegründet und den Meistertitel erworben – in einem Beruf, der sich zwar hoher Kundennachfrage, aber wenig Beliebtheit bei Ausbildungsplatzsuchenden erfreut. „Ich kenne Betriebe, die schon seit zwei Jahren Azubis suchen – vergeblich“, sagt der 27-Jährige, der dann doch, in Kenntnis des Bedarfs und der guten Perspektiven, in die Fußstapfen seines Vaters stieg.

„Es ist ein weitgehend unbekannter Beruf“, sagt Ursula Sengler, Berufsschullehrerin an der Landesberufsschule für Orthopädieschuhtechnik in Travemünde. Selbst wenn junge Leute auf ihn aufmerksam würden, hätten sie zumeist Berührungsängste. Klobige Schuhe für alte, kranke Füße herstellen, dazu noch zu einem geringen Lohn? Sengler studierte Ernährungswissenschaft, aber der Wunsch nach einem handwerklichen Beruf ließ sie nicht los. Weil herkömmliche Schuhmacher heute meist nur noch Reparaturen erledigen, entschied sich Sengler für die orthopädische Variante des Berufs, bei der sich ästhetisches Empfinden und medizinische Grundlagen verbinden: „Das hat mich angesprochen.“

Über eine Umschulung hat sie erst den Beruf erlernt, viele Jahre darin gearbeitet und ihren Meisterabschluss gemacht: „Es ist toll, am Ende eines Tages ein eigenes Produkt in den Händen zu halten, das einem anderen Menschen weiterhilft.“ Es sei eine schöne Erfahrung gewesen, zur Lösung schwerer Deformationsprobleme beigetragen zu haben und Kunden zu beraten. Aber irgendwann bekam die Meisterin selbst Probleme, wenn auch nicht mit den Füßen, so doch mit den Handgelenken. „Das ist auch ein anstrengender Beruf, man steht viel an lauten Schleifmaschinen“, bekennt sie.

Mit Ende 40 wechselte Sengler ins Lehramt. Seitdem vermittelt sie angehenden Orthopädieschuhtechnikern die theoretischen Grundlagen des Berufs, aber auch Wirtschaft und Politik. „Ihr werdet gebraucht und gesucht. Niemand von euch muss sich Sorgen um einen Arbeitsplatz machen“, gibt sie den Auszubildenden mit auf den Weg. Die verstehen bisweilen nicht, warum so wenig aus dem Budget medizinischer Verordnungen bei ihnen, den Fachleuten für den Bewegungsapparat, landet. „Die Betriebe haben durch moderne Werkstätten und Maschinen sowie ständig neue Materialien, die sie vorhalten sollen, hohe Fixkosten“, erklärt Sengler. „Aber man kann und sollte sein Gehalt gut verhandeln.“

Daniel hat das im elterlichen Betrieb längst getan: „Auf das Grundgehalt kommen oft Boni, man wird nach Geschicklichkeit bezahlt.“

Unterschiedliche Materialien, wie Leder, Kunststoff, Kork oder gar für die Versteifung Kohlefasern bearbeiten, in Form schleifen, Schaftteile vernähen, Maßteile anpressen oder Bewegungsanalysen und Fußdruckmessung im direkten Kundenkontakt vornehmen, all das macht ihm viel Freude. „Man braucht Fingerspitzengefühl und Freundlichkeit, die Schulnote ist zweitrangig.“

Die lateinischen Begriffe für Knochen und Sehnen, die er in der Berufsschule mühsam lernen musste, braucht der Geselle heute nicht mehr. Aber Latein ist letztlich auch nur ein Symbol für einen anspruchsvollen Beruf zwischen Moderne und Tradition, bei dem man manchmal eben auch zaubern muss.