Tübingen.

Mithilfe einer besonderen Kopfhaube haben Forscher vollständig gelähmten Patienten wieder eine Kommunikation ermöglicht. Vier Betroffene konnten über diese Computer-Gehirn-Schnittstelle mit „Ja“ und „Nein“ auf Fragen antworten. Die Technik präsentieren der emeritierte Hirnforscher der Universität Tübingen, Professor Niels Birbaumer, und Kollegen im Fachmagazin „Plos Biology“.

Das internationale Team kombiniert zwei Möglichkeiten, Hirnaktivität zu messen – sogenannte Nahinfrarotspektroskopie und Elektroenzephalografie. Dabei wird von außen unter anderem die Veränderung des Sauerstoffgehalts im Blut des Gehirns gemessen, die ein Zeichen für die Aktivität der jeweiligen Hirnregion ist. Während die Patienten 100 bis 150 Fragen in Gedanken beantworteten, justierten die Forscher die Messmethoden so, dass danach eine Trefferwahrscheinlichkeit von etwa 70 Prozent bei den Antworten gegeben war. „Das ist nicht schlecht“, sagte Birbaumer. „Bei Gesunden ist das auch nicht unbedingt höher, die passen auch nicht immer auf.“

Vier Patienten haben die Kopfhaube getestet. Birbaumer hat die Erleichterung bei den Familienangehörigen miterlebt, wieder mit den gelähmten Menschen kommunizieren zu können, erzählte er. Auch die Pflege werde vereinfacht, wenn der Patient Fragen beantworten kann. Die Testpersonen durften die Haube behalten. „Wenn die entscheidenden Fragen geklärt sind, nimmt die Nutzungszeit ab“, sagte Birbaumer. Dann kommunizierten die Patienten im Schnitt etwa eine Stunde pro Tag mithilfe der Haube, ergänzte der Forscher. „Das ist sehr anstrengend, die müssen sich voll konzentrieren.“

Birbaumer räumte zwar ein, dass Augenbewegungskameras „viel zuverlässiger“ seien. Die Krankheit amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zerstöre aber Nerven und lähmt Muskeln. Die Betroffenen können irgendwann nicht einmal mehr ihre Augen bewegen.

Alle Patienten antworteten „Ja“ auf die Frage, ob sie glücklich seien, berichtete Birbaumer. Er und seine Mitarbeiter seien sehr überrascht gewesen, als sie die Patienten zur Lebensqualität befragt hätten. „Was wir beobachteten war, dass sie, solange sie genügend Pflege daheim bekamen, ihre Lebensqualität akzeptabel fanden.“

Falls die Technik einmal breit klinisch anwendbar werde, könne sie einen großen Einfluss auf den Alltag der Menschen mit dem sogenannten Locked-in-Syndrom haben. Eine Haube, die aus derzeit schon am Markt verfügbaren Komponenten besteht, kostet nach Birbaumers Angaben derzeit 50.000 bis 70.000 Euro. Es gibt jedoch noch keine industrielle Produktion.