Bei den Kulturisten hoch2 gehen Jugendliche und bedürftige ältere Menschen gemeinsam zu Veranstaltungen

Ein schönes Konzert hören, eine Ausstellung besuchen, mal ins Theater – für etliche Hamburger sind Kulturbesuche ein Stück Lebensqualität. Doch viele Senioren mit einer kleinen Rente können es sich nicht leisten, kulturelle Angebote wahrzunehmen. Sie schaffen es oft kaum, die Kosten des täglichen Lebens zu tragen. Die gemeinnützige Gesellschaft „Gemeinsam! Jung und Alt für Teilhabe und Lebensfreude“ will dies in Kooperation mit dem Verein KulturLeben Hamburg ändern. Sie ermöglicht Menschen ab 63 Jahren seit September 2016 den Besuch in Kinos, Konzertsälen, Museen oder Theatern. Für das Projekt Kulturisten hoch2 stellen mehr als 100 Veranstalter Karten zur Verfügung.

Wer nur bis zu rund 1000 Euro im Monat erhält und sich anmeldet, bekommt jeweils zwei Karten: eine für sich, die andere für einen jungen ehrenamtlichen Begleiter aus seinem Stadtteil. Denn dies ist der zweite wichtige Aspekt: Hamburger Oberstufen-Schüler von bald fünf am Projekt teilnehmenden Schulen gehen mit den Senioren zu den Events. „Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Erleben kultureller Veranstaltungen über Altersgrenzen hinweg. Gleichzeitig ist es gelebte soziale Verantwortung in den Stadtteilen“, sagt Initiatorin und Projektleiterin Christine Worch. Sich in die Perspektive eines älteren Menschen hineinzuversetzen schule bei den Jugendlichen das Einfühlungsvermögen. Mit Blick auf 2030, wenn mehr als die Hälfte aller Hamburger über 60 Jahre alt sein werden, möchte Worch dazu beitragen, dass der Zusammenhalt von Alt und Jung in den Stadtteilen enger wird.

Zunächst absolvieren die jungen Teilnehmer ein fünfstündiges Training und versetzen sich dabei in die Lage von Senioren. Die Schüler bewegen sich in einem Alterssimulationsanzug oder lernen, mit einem Rollator Stufen, Schwellen und Bordsteine zu überwinden. Einhellige Aussage danach ist: „Wir können ältere Menschen jetzt viel besser verstehen, warum sie langsamer sind.“

Bisher gingen 50 „Senioren-Schüler-Tandems“ zum Beispiel ins Ernst Deutsch Theater, zum Konzert der Band Foreigner oder besuchten das Hamburger Filmfest. Die 17-jährige Joline aus Eidelstedt erlebte mit einer 79 Jahre alten Seniorin im Dezember „La Bohème“ in der Hamburgischen Staatsoper: „Die Stimmen in echt zu hören war unglaublich. Es war so emotional ergreifend, dass Frau L. schon am Anfang die Tränen kamen. Es erinnerte sie an ihren italienischen Mann, der vor vier Jahren starb. Von der Liebesgeschichte habe ich mir dann in der Pause berichten lassen.“ Der Grund, weshalb die Schülerin bei Kulturisten hoch2 teilnimmt: zu erleben, wie solche Unternehmungen glücklich machen, „die Fröhlichkeit neben dem Erlebnis selbst gibt mir viel“. Wie wichtig eine Begleitung nicht nur für die Seele ist, zeigte sich an diesem Abend. Joline und die Seniorin mussten die Treppen in der Oper nehmen, „was für die ältere Dame gar nicht leicht war, denn der Fahrstuhl war außer Betrieb“.

Die Veranstaltungen werden auch zu besonderen Erlebnissen, weil das Drumherum für die „KulturGäste 63+“ – wie zum Beispiel Garderobengeld – ebenfalls bezahlt wird. Kulturisten hoch2 finanziert sich nur durch Spenden. So reichen 100 Euro für drei Monate Fahrtkosten, 50 Euro für zehn Pausengetränke. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter und Sachspenden sind willkommen. Die Abendblatt-Initiative „Von Mensch zu Mensch“ unterstützt das Projekt finanziell.

Information und Kontakt:www.kulturisten-hoch2.de,
E-Mail: post@kulturisten-hoch2.de,
Tel.: 22 69 30 83, Anmeldung für Senioren (Do 14–18 Uhr): Tel. 46 08 45 35