Rom.

40 Stunden nachdem eine gigantische Schneelawine das Berghotel „Rigopiano“ im zentralitalienischen Erdbebengebiet zerstört und verschüttet hatte, konnten die ersten fünf von zehn georteten Überlebenden geborgen werden, darunter vier Kinder. Die Überlebenden kauerten unter dem Dach der Hotelküche, in der sich eine rettende Luftblase gebildet hatte.

„Sie haben kaum ein Wort gesagt, es waren ihre Gesichter, die alles sagten: Sie waren überglücklich, sie fühlten sich wie neu geboren.“ Marco Pini, Offizier der Polizei, hatte gemeinsam mit Feuerwehrleuten die ganze Nacht zum Freitag nach Überlebenden und Opfern gesucht. Morgens stand er da, blass und mit den Kräften am Ende. Er sagte: „Es ist ein Wunder.“

Gegen elf Uhr waren erst ein Junge, dann eine Frau aus einem Kanal geklettert, den die Helfer in die Tiefe gegraben hatten. Es waren ergreifende Bilder, als die beiden lebend und „ohne Verletzungen“ unter einer Zementplatte aus dem Schneeloch hervorgezogen wurden. Pini standen die Tränen der Rührung in den Augen.

Unfassbar auch das Glück von Giampiero Parete: Die beiden Menschen, die zuerst gerettet wurden, waren seine Ehefrau und sein Sohn. Parete selbst hatte sich während des Lawinenunglücks durch einen Zufall gerettet: Er war aus dem Hotel zum Parkplatz gelaufen, um ein Medikament für seine Frau zu holen. Eigentlich wäre er längst mit seiner Familie abgereist, doch man hielt ihn zurück: Die starken Beben und der Schneefall seien für die Reise vom 1200 Meter hoch im Gran Sasso-Gebirgsmassiv gelegenen Hotel hinunter ins Tal zu gefährlich, sagte man ihm. Parete war es, der nach dem Unglück Alarm schlug.

Am Freitag entdeckten die Einsatzkräfte die Überlebenden, weil sie einen „starken Geruch“ verspürten. „Wir sahen Rauch aufsteigen“, erklärte Pini. „Die Überlebenden befanden sich in der Hotelküche, die ein Stockwerk tiefer lag. Die Decke hatte standgehalten.“ Es sei den Leuten gelungen, ein Feuer anzuzünden, mit dem sie sich warmhielten. In der Küche fanden sie Lebensmittel.

130 Rettungskräfte der Feuerwehr und Polizei vor Ort hatten seit dem Morgengrauen am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag ohne Unterbrechung am Katastrophenort nach Überlebenden gesucht. Es gab zuerst keine Lebenszeichen der Menschen, die tief unten unter der bis zu fünf Meter hohen Schneedecke harrten. Es war eiskalt, das Wasser im Hotelpool war zu Eis erstarrt. Zwei Tote, die die Helfer aus den Trümmern des Hotels bergen konnten, ließen kaum Hoffnung auf Überlebende.

Doch ein Helfer der alpinen Rettungseinheit, die Donnerstagnacht auf Skiern zuerst das Hotel erreicht hatten, sagte am Freitag: „Es ist unsere Arbeit, die Hoffnung nicht aufzugeben. Situationen wie diese sind ein Wettlauf gegen die Zeit. Als wir das Hotel erreicht hatten, war uns klar, dass die Situation schlimm sein würde.“ Nachdem die Retter die Überlebenden gesichtet hatten, begann ein neuer Wettlauf gegen die Zeit, um die Menschen unter schwierigsten Bedingungen aus den Trümmern zu ziehen. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich als extrem kompliziert, weil die Schneeschmelze eingesetzt hatte. Zudem wurden Regenfälle erwartet. Und damit entstand die Angst vor Eisglätte. Dazu kommen die andauernden Nachbeben.

Die Überlebenden wurden in die Krankenhäuser der nahen Provinzstädte L’Aquila und Pescara geflogen. Dort warteten auch die Angehörigen der Opfer. Sie wussten aus sozialen Netzwerken, dass der Urlaub für die Hotelgäste, ihre Verwandten, schon vor dem Unglück zum Albtraum geworden war. Das Hotel, beliebt bei Winterurlaubern, war komplett eingeschneit, der Strom ausgefallen.

Polizei eröffnet Ermittlungsverfahren

Ob auch deutsche Gäste im Hotel waren, ist weiterhin unklar. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eröffnet: Es soll untersucht werden, ob es Versäumnisse bei den Bergungsarbeiten gab und ob der Lawinenschutz für das Hotel ausreichend war. Schon einmal war 2008 gegen den Hotelier ermittelt worden. Damals ging es um Korruption bei der Vergabe des Baulands, das eigentlich der Gemeinde gehörte. Es muss außerdem festgestellt werden, warum das Hotel nach wiederholtem Lawinenalarm nicht evakuiert worden war.