Saalfelden.

Arbeitsdruck, Zeitmangel, ständig piepsende Handys – das Leben wird immer gehetzter. Wen wundert es also, dass viele Menschen vor diesem Alltag flüchten wollen. Wie ein Traum mag manchen ein Jobangebot aus Saalfelden bei Salzburg erscheinen: Stadt und Pfarrgemeinde suchen einen Einsiedler, der mehrere Monate lang in einer Felshöhle hausen möchte. Seit 350 Jahren wohnen dort Menschen. Nun ist der Posten frei, Bewerbungen sind erwünscht. Was wie ein Witz klingt, ist ernst gemeint.

Auf Komfort muss man natürlich verzichten: Strom und fließendes Wasser gibt es nicht. Dafür wäre der neue Einsiedler aber auch nicht ganz allein: Viele Einheimische und Gäste besuchen die Kapelle, zu der die Unterkunft gehört. Sie wollen die Aussicht genießen, beten – und mit dem Einsiedler über Gott und die Welt reden. „Wir suchen einen in sich ruhenden Menschen, der bereit ist zum Gespräch. Er soll sich nicht aufdrängen. Aber er soll da sein für die Pilger“, sagt Dechant Alois Moser.

Möglichst weit weg sein vom Rest der Menschheit: Das jahrtausendealte Phänomen der Weltflucht erlebt eine erstaunliche Renaissance. Allein 80 bis 90 katholische Eremiten gibt es in Deutschland, schätzen Experten.

In der Kirche haben Eremiten lange Tradition. Doch mittlerweile interessieren sich auch abseits des Glaubens immer mehr Menschen für ein Leben in der Einsamkeit. Trendforscher sprechen vom Gegenentwurf zur schnelllebigen Gesellschaft.

Einer, der der Hektik den Rücken gekehrt hat, ist Günther Hamkers, der seit mehr als 50 Jahren in einer Waldhütte im Harz lebt. Das Wasser des Mittsiebzigers stammt aus einem selbst angelegten Brunnen, Strom erzeugt er mit Wind- und Solarenergie, für seine Öfen hackt er Holz.

Menschen wie Hamkers sind ein Vorbild für viele: In Internetforen tummeln sich Zivilisationsmüde, die Tipps für ein Leben fernab der Gesellschaft suchen. Der Oldenburger Nachhaltigkeitsforscher Niko Paech glaubt an eine weitverbreitete Sehnsucht nach Entschleunigung: „Es gibt den Trend zu Ökoprodukten und zur Selbstversorgung. Auch in der Stadt, etwa mit einem Gemeinschaftsgarten.“ Und das sei nur der Anfang einer Bewegung. Keine Überraschung also, dass Job­angebote wie das aus Saalfelden auf besonderes Interesse stoßen.

Aussteiger und Abenteurer aus allen Teilen der Welt schauen dieser Tage gebannt auf eine verregnete Insel namens Maatsuyker Island. Das unbewohnte Fleckchen Erde zwischen der Antarktis und Australien sucht neue Inselchefs: Die tasmanische Nationalparkbehörde beschäftigt zwei Freiwillige, die sich um ein paar historische Gebäude kümmern und Wetterdaten sammeln sollen. Interessenten erwartet eine völlige Abkehr von der Moderne. Handyempfang, Fernsehen, Internet – Fehlanzeige. Es gibt ein Radio, ein Funkgerät und ein nicht immer ganz zuverlässiges Telefon für Notfälle.

Im vergangenen halben Jahr hat die australische Schriftstellerin Robyn Mundy zusammen mit ihrem Partner auf der drei Kilometer langen und anderthalb Kilometer breiten Insel gelebt. „Ich denke, es ist nichts für jedermann“, warnt Mundy – das Leben in totaler Abgeschiedenheit könne zum Albtraum werden.

Ohne Strom, Heizung und ohne Computer

Aussteiger schreckt das nicht. Die Faszination für die Einsiedelei ist ein weltweites Phänomen. Etwa in Russland. Wie Männer dort allein in der Wildnis leben, zeigt der Fotograf Danila Tkachenko in seinem Bildband „Escape“. Betrachter bekommen eine Ahnung davon, warum sich diese Menschen für ein Leben fernab der Städte entschieden haben. „In den Bergen fühle ich mich sicherer. Die Zeit fließt ruhig und reibungslos, nur die Natur verändert sich“, sagt einer der Männer. Die Wildnis mache frei: „Einsamkeit gibt dir die Möglichkeit, sich an einfachen Dingen neu zu erfreuen.“

Der Einsiedlerposten von Saalfelden kann für potenzielle Aussteiger ein Test sein – der Job ist auf sechs Monate beschränkt. Wer ohne Computer und Zentralheizung nicht auskommt, ist in der Klause falsch, warnt Dechant Alois Moser. Trotzdem rechnet er damit, die unbezahlte Stelle bis April neu besetzen zu können. Der Beruf ist zweitrangig. Wichtig sei vor allem, dass die Bewerber mit sich allein sein können.