Traue nie dem ersten Eindruck. Die Taxifahrerin Özge (Violetta Schurawlow) wird wegen ihrer türkischen Abstammung diskriminiert. Und schluckt ihre Wut hinunter. Aber es wäre ein Fehler, sie zu unterschätzen. Sie ist zwar nicht gut im Reden. Aber gut im Kickboxen.

Als die Muslima eines Tages von ihrer Wohnung aus Zeugin eines Ritualmordes an einer Prostituierten wird, bekommt aber auch sie es mit der Angst zu tun. Zumal der Täter, ein Serienmörder, auch sie gesehen hat. Der zuständige Kommissar Steiner (Tobias Moretti) will nichts von Zeugenschutzprogramm wissen und macht ebenfalls abfällige Bemerkungen über Özges Herkunft. Aha, denkt man, klar, es geht wieder um Ewiggestrige und Fremdenfeindlichkeit. Aber auch hier gilt: Traue nicht dem ersten Eindruck. Das ist das Schöne an Stefan Ruzowitzkys Thriller. Dass er zwar stets mit Vorurteilen spielt, sie aber gleich wieder aufbricht.

Irgendwann nämlich, als ihre Cousine mit Özge verwechselt und ebenfalls ermordet wird, da ist es ausgerechnet der Kommissar, der ihr erlaubt, bei ihm unterzukommen. Und siehe da: Da kümmert er sich rührend um seinen dementen Vater (Friedrich von Thun) und scheint viel verantwortungsbewusster als gedacht.

Rutzowitzkys größter Erfolg war sein KZ-Drama „Die Fälscher“, das 2008 den Auslands-Oscar gewann. Der Wiener Filmemacher ist aber vor allem Genrefilmer, hat das schon mit seinen „Anatomie“-Filmen bewiesen. Und hat dann, mit „Cold Blood“, einen US-Thriller gedreht. Mit „Die Hölle – Inferno“ verlagert er nun amerikanische Action nach Wien. Das Ergebnis ist schweißtreibende Spannung und Adrenalin pur. Mit dem Kitzel, dass der klassische Beschützer eine Nebenfigur ist und die Frau sich selbst verteidigen muss. Mutig werden hier gleich mehrere Reizthemen wie Ausländerfeindlichkeit, religiöser Wahn und Missbrauch in der Familie angerissen.

„Die Hölle – Inferno“ D/A 2017, 90 Min.,
ab 16 J., R: Stefan Ruzowitzky, D: Tobias Moretti, Verena Altenberger, Violetta Schurawlow,
im UCI Wandsbek; www.splendid-film.de