Paris.

Sie heißen „Omar, der Alte“, Blauauge“, „Raspelnase“ und „Pierrot, der Dicke“. Und sie sitzen hinter Gittern. Wieder einmal. Die unfeinen Herren gehören zu einer Bande von zehn Ganoven, die laut Überzeugung der Kripo in Paris für den spektakulären Raubüberfall auf das amerikanische Starlet Kim Kardashian (36) verantwortlich sind. Tatsächlich sollen drei der zehn Verdächtigen, gegen die die Justiz ein Ermittlungsverfahren einleitete, die Tat gestanden haben.

Spitznamen tragen im französischen Gangster-Milieu nur die wirklich schweren Jungs. Und davon, dass es Vollprofis waren, die als Polizisten verkleidet in der Nacht auf den 3. Oktober Kim Kardashian in ihrem gemieteten Pariser Luxusappartement überfielen, sind die Ermittler von Anfang an ausgegangen. Die Täter hatten die Reality-TV-Darstellerin gefesselt und geknebelt ins Badezimmer gesperrt, bevor sie auf Fahrrädern das Weite suchten. Mit dabei: den erbeuteten Schmuck im Wert von rund neun Millionen Euro. Drei Millionen Euro wert war allein der Ring, den Kardashian von ihrem jetzigen Ehemann, Rapper Kanye West, zur Verlobung geschenkt bekam.

Wenn man unter Vollprofis Gangster versteht, die ein ellenlanges Vorstrafenregister und eine solide Hafterfahrung haben, dann lag die Kripo richtig. Aber dass sie es mit einer Bande von Großvätern zu tun hatte, konnten die Ermittler im Oktober noch nicht ahnen. Die Drahtzieher des Überfalls – Pierre Bouanière (72) alias „Pierrot, der Dicke“, Yunice Abbas (63), François D. (63) alias „François, der Lange“, Aomar Ait Khedache (60) alias „Omar, der Alte“, und Marceau Baumgertner (64) alias „Raspelnase“ – galten ausnahmslos als Ex-Knackis, die sich zur Ruhe gesetzt hatten.

Auf die Idee, ihre Revolver zu entstauben, wurde die Rentnerbande von einem gewissen Florus Heroui gebracht. Der Besitzer der Pariser Bar „Le Tabloid“ spitzte die Ohren, als ein junger Mann an seinem Tresen mit dem tollen Job prahlt, für den sein älterer Bruder geheuert worden war: als Fahrer von Kim Kardashian, die in zwei Wochen in Paris erwartet würde und ein Appartement in einem Stadtpalais im Herzen der Seinemetropole angemietet habe. Ein „goldener“ Tipp, den Heroui an Khedache weitergibt und damit die Affäre ins Rollen bringt.

Khedache trommelt eine aus hauptsächlich ihm gut bekannten Gaunern bestehende Bande zusammen. Es soll der letzte große Coup werden, der den Vorruheständlern ohne Rentenanspruch den Lebensabend versüßt. Dumm nur, dass den mit allen Wassern gewaschenen, aber offenbar etwas aus der Übung gekommenen Ganoven ein Anfängerfehler unterläuft. Abbas und Khedache tragen bei dem Überfall keine Handschuhe, ihre Fingerabdrücke werden auf dem Klebeband und den Handschellen gefunden, mit dem Kardashian sowie der Nachtwächter der Luxusresidenz gefesselt wurden.

Allerdings kommt auch Kommissar Zufall den Ermittlern zur Hilfe. Bei der Auswertung der Pariser Videokameras stoßen sie auf die Bilder von drei Männern, die in der Nacht vom 3. Oktober ihre Fahrräder unweit des Tatorts am Bahnhof Saint-Lazare abstellen und seltsamerweise nicht mit einem Schloss sichern. Offenbar wollten sie die Räder stehlen lassen, um Spuren zu verwischen. Identifizieren lassen sich die Männer, die in eine schwere Limousine steigen, zwar nicht. Wohl aber das Nummernschild des Wagens, der einem Sohn von Khedache gehört.

Nach langen Wochen der Beschattung und des Abhörens der Handys der Verdächtigen schlägt das rund hundertköpfige Kripo-Team schließlich zu und verhaftet zeitgleich in fünf Städten Frankreichs 17 Personen. Vier Tage dauern die Verhöre, bevor sieben Verdächtige, darunter der Chauffeur, wieder freikommen. Die zehn mutmaßlichen Täter werden dem Untersuchungsrichter übergeben.

Schmuck wurde offenbar in Antwerpen verschoben

Was aber wurde aus Kardashians Schmuck? Von ihm fehlt derzeit noch jede Spur. Bei den Festnahmen der Verdächtigen konnte die Polizei lediglich 220.000 Euro in bar sicherstellen. Die Ermittler fürchten, dass er längst verschoben wurde – wohl über einen Hehler in Antwerpen. Der belgischen „Stadt der Diamantenhändler“ haben „Omar, der Alte“, und „Raspelnase“ vier Tage nach dem Überfall einen Besuch abgestattet. Nach ihrer Rückkehr versammelte sich die Rentnerbande dann in einem Pariser Sterne-Restaurant. Höchstwahrscheinlich stand da eine Feier an, bei der der Erlös aus dem Verkauf der Juwelen aufgeteilt wurde.