In Zhang Yimous Fantasy-Epos „The Great Wall“ wehrt die Chinesische Mauer Monster ab

Geschichtsschreibung ist immer auch Mythenbildung. Das gilt auf der Leinwand noch mehr als im realen Leben. Ein besonders hübsches Beispiel dafür ist der US-chinesische Blockbuster „The Great Wall“, der die Existenz der Chinesischen Mauer umdeutet. Nicht vor nomadischen Reitervölkern sollte sie jahrhundertelang schützen, sondern vor Horden furchterregender Monster, die die Menschheit bedrohen. Klingt ein wenig wie die Legende vom „Antifaschistischen Schutzwall“ der DDR oder Trumps Mexiko-Mauer. Aber sei’s drum, wenn der Unterhaltungswert stimmt.

William Garin (Matt Damon) ist ein europäischer Söldner, der mit dem Glücksritter Tovar (Pedro Pascal) im Norden Chinas auf der Suche nach einem explosiven schwarzen Pulver ist, das in den bislang mit Schwertern geführten Kriegen Vorteile bringen würde. Auf ihrer Suche erreichen sie die Große Mauer, auf der eine Armee das Reich vor Angreifern schützt. Und die erweisen sich eben nicht als menschliche Gegner, sondern als bestialische Massen, die das chinesische Volk regelmäßig heimsuchen. Während Tovar und der seit 25 Jahren festgehaltene Söldner Ballard (Willem Dafoe) die Flucht mit dem gestohlenen Schwarzpulver planen, verbündet sich William mit der Kriegerin Lin Mae (Jing Tian), um sich dem Feind zu stellen.

Gut und Böse gleichen sich auf erstaunliche Weise

So simpel die Geschichte gehauen ist, beeindruckt „The Great Wall“ doch als visuelles Spektakel. Die 3-D-Technologie überzeugt, wenn einem Pfeile und Monster buchstäblich um die Ohren fliegen. Die dahinterstehende Ideologie ist indes höchst fragwürdig. Die Organisationsstrukturen von Gut und Böse gleichen sich auf erstaunliche Weise, ohne dass dies je thematisiert wird. Die Monsterarmee funktioniert wie eine Ameisenkolonie, und auch die Chinesen sind wenig mehr als Funktionsträger ihres Regimes, für das sie jederzeit sterben würden. Ein Schelm, wer bei dem Ost-West-Gipfel und der neuen Wunderwaffe eine politische Metapher sieht.

Was jedoch wirklich verhandelt wird, ist nicht die „Große Mauer“, sondern der große Gegensatz. Der Egoismus des kapitalistischen Westens gegen die auf Loyalität beruhende Gemeinschaft im Osten. Und weil der aufwendigste je in China produzierte Film, eine US-Produktion mit chinesischer Minderheitsbeteiligung, klar für eine globale Auswertung konzipiert ist, erkennt der Dieb aus dem Westen, dass es Größeres gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und die Kriegerin, die seit ihrer Kindheit nichts anderes kennt als den Alltag an der Grenze, stellt fest, dass sie sich doch ähnlicher sind als gedacht. Am Ende freilich kehrt jeder in seinen angestammten Kulturkreis zurück. Die Mauer in den Köpfen bleibt.

„The Great Wall“ 104 Min., ab 12 J., R: Zhang Yimou, D: Matt Damon, Jing Tian, Pedro Pascal, Willem Dafoe, Andy Lau, Zhang Hanyu u. a.,
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