Es gibt ein Emblem und einen festen Termin im Monat: Die Damen von der fünften Etage der Kursana Residenz Hamburg gehen gemeinsam durch dick und dünn. Ein tolles Beispiel von Freundschaft im Altenheim. Von Martina Petersen

Wenn sich die Seniorinnen einmal im Monat zu ihrem Clubabend treffen, kommt als Erstes das selbst gebastelte Schild mit dem rosa Herzen und dem „Club 5“-Emblem auf den Tisch. „Das Zeichen ist uns wichtig, denn es steht für unser großes Zusammengehörigkeitsgefühl“, erklärt die 85-jährige Elisabeth Petersen, die vor vier Jahren zusammen mit einer Mitbewohnerin den Freundeskreis in der Kursana Residenz Hamburg ins Leben gerufen hat. Alle Damen im Alter zwischen 78 und 90 Jahren sind Nachbarinnen in der fünften Etage der Niendorfer Senioreneinrichtung. Bis auf eine sind alle verwitwet, die Kinder leben oftmals in anderen Städten. „Wir sitzen ja alle im selben Boot“, ergänzt Eva-Maria Petersen (90). „Deshalb gehen wir mit offenen Armen aufeinander zu und fangen uns auf, wenn es einer von uns nicht gut geht. Das macht das Leben um vieles leichter.“

Den Stein ins Rollen brachten gemeinsame Theaterbesuche, welche die Seniorenresidenz in den Wintermonaten für ihre Bewohner organisierte. „Wir haben hinterher immer so nett bei einem Glas Wein zusammengesessen und geklönt“, erzählt Elisabeth Petersen. „Als wir alle bedauerten, dass es Sommer wird und die Theatersaison endet, habe ich vorgeschlagen, dass wir uns mit dem Club einen eigenen Rahmen schaffen, in dem wir uns regelmäßig weiter treffen.“

Die Gruppe hilft, wenn es einem Mitglied schlecht geht

Ihre Schwiegertochter half ihr, das Club-Emblem zu basteln, und in ihrem „Club-Buch“ wurden die Geburtstage aller Frauen festgehalten. Das erste Treffen fanden noch im Wohnzimmer von Elisabeth Petersens Apartment statt. Mittlerweile treffen sich die Frauen an jedem letzten Montag des Monats bei einem Glas Wein im Turmzimmer des Hauses und feiern dort auch gemeinsame Feste. „Die Gruppe ist noch gut überschaubar, trotzdem muss ich manches Mal eine Glocke zu Hilfe nehmen, um zu Wort zu kommen“, sagt Elisabeth Petersen schmunzelnd.

Da Elisabeth Petersen im Heimbeirat der Senioreneinrichtung mitwirkt, kann sie bei den Treffen oft mit Neuigkeiten aus dem Haus aufwarten. Im Laufe des Abends wird es dann meistens sehr persönlich: Schon oft haben die Frauen den Kreis genutzt, um den anderen ihr Herz auszuschütten. „Wir erzählen uns viel Privates aus unseren Familien. Und Dinge, mit denen wir unsere Kinder nicht belasten möchten“, sagt Eva-Maria Petersen. So ist eine große Verbundenheit entstanden, die auch in Krisenzeiten trägt.

„Ich habe nur durch die Geduld und Unterstützung der anderen wieder sprechen gelernt“, sagt Eva-Maria Tietje (85), die nach einer Operation gesundheitlich stark eingeschränkt war. Auch heute reagieren die Freundinnen verständnisvoll, wenn sie wegen ihrer beginnenden Demenz nach Wörtern suchen muss. Besonders Elisabeth Petersen kann sie gut unterstützen, da sie viel Privates von ihr weiß. Die beiden Freundinnen haben im vergangenen Jahr sogar gemeinsam Urlaub in Swinemünde gemacht. „Diese zwei Wochen haben mich wieder aufgebaut“, sagt Eva-Maria Tietje dankbar.

Auch im Alltag wird Nachbarschaftshilfe bei den Damen vom „Club 5“ großgeschrieben: Die Frauen klingeln immer mal kurz bei den Nachbarinnen, um zu fragen, wie es geht. Ganz selbstverständlich bringen sie einander Kleinigkeiten vom Einkauf mit oder begleiten sich gegenseitig beim Arztbesuch. Sie gehen in unterschiedlichen Konstellationen miteinander spazieren und zusammen essen. „Der Trick ist, dass man sich im Alter jemanden suchen muss, mit dem man sich bei seinen Handicaps gut ergänzen kann“, meint Eva-Maria Petersen und nimmt ihre Sitznachbarin Hildegard Adam (87) lachend in den Arm. „Du denkst für mich, wenn ich vieles vergesse. Dafür hake ich dich unter, damit du besser laufen kannst. Zusammen sind wir ein Super-Team.“

Als Eva-Maria Petersens demenziell erkrankter Ehemann vor fünf Jahren im stationären Pflegebereich der Residenz aufgenommen wurde, hat sie gleichzeitig die Wohnung in der Rothenbaumchaussee aufgegeben und ein Apartment im Haus bezogen. „In meinem alten Zuhause sind alle Nachbarn tagsüber arbeiten gegangen. Dort wäre ich vereinsamt“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich rechtzeitig ins betreute Wohnen gezogen bin, sodass ich hier noch von den schönen Freizeitangeboten profitieren und Freundschaften pflegen kann.“ Als ihr Mann starb, konnte sich Eva-Maria Petersen bereits auf den Rückhalt bei ihren neuen Freundinnen verlassen.

Es geht darum, das „letzte Zuhause“schön zu gestalten

Das Geheimnis der großen Harmonie im „Club 5“ scheint auch darin zu bestehen, dass sich die Gruppe nicht abschottet, sondern alle Damen auch andere Kontakte pflegen. So gibt es bei ihren Treffen immer eine Menge zu erzählen, und die Krankheiten und Wehwehchen, mit denen sich alle herumplagen, werden mit Humor genommen und stehen nicht im Mittelpunkt. Alle Clubmitglieder betonen ihre Entschlossenheit, den gegenwärtigen Moment zu genießen und sich das Leben in ihrem „letzten Zuhause“ bewusst so schön wie möglich zu gestalten.

Für ein freundschaftliches Miteinander im hohen Alter brechen alle Damen eine Lanze. „Im Alter ist man viel großzügiger und gelassener miteinander, als es in jüngeren Jahren üblich ist“, stellt Hildegard Adam fest. Und Ingrid Lehfeld (89) ergänzt: „Die gemeinsame Zeit ist ja auch viel zu kostbar, um sie mit Streit zu vergeuden.“ Lachend rücken die Damen ihr „Club 5“-Emblem mit dem großen Herzen auf dem Tisch zurecht. Und Eva-Maria Petersen bringt es auf den Punkt: „Unsere Freundschaft ist schlichtweg lebensverlängernd.“