Hamburg. Elf sogenannte „Gefährder“ sollen sich derzeit in der Hansestadt aufhalten. Lückenlose Observation unmöglich

André Zand-Vakili

Der Generalbundesanwalt prüft Ermittlungen gegen mehrere Hamburger Dschihadisten. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der linken Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir hervorgeht, hat die Hamburger Staatsanwaltschaft vom 1. Januar 2015 bis 13. Dezember vergangenen Jahres 23 Verfahren der Bundesanwaltschaft zur Prüfung übergeben. Die Karlsruher Behörde zieht Fälle an sich, die von besonderer Bedeutung für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands sind. Dabei handelt es sich um 21 Verfahren gegen Mitglieder der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS), eines gegen Mitglieder der salafistisch-dschihadistischen Terrororganisation Ahrar al-Sham und eines gegen Angehörige der Al-Nusra-Front, die den Al-Qaida-Terroristen nahesteht. An die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft wurden aus Karlsruhe 13 Verfahren abgegeben, darunter neun gegen IS-Mitglieder.

Die salafistische Szene steht seit Monaten verstärkt im Fokus der Hamburger Behörden. Mitte November war bei einer Großrazzia die als Salafisten-Treffpunkt geltende Al-Taqwa-Moschee in Harburg durchsucht worden; bereits seit Mai hatte Hamburg mehrere Koranverteilungsaktionen verboten. Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte zudem an, mögliche Gefährder – ihnen wird jederzeit eine schwere Straftat zugetraut – „genau im Auge zu behalten.“ Als Gefährder war auch Berlin-Attentäter Anis Amri eingestuft.

In Hamburg sind der Polizei derzeit 18 Gefährder aus der islamistischen Szene bekannt, nach Abendblatt-Informationen befinden sich aber nur elf in der Hansestadt. Allein um sie lückenlos zu observieren, wären 176 Polizisten nötig. „Wie personalintensiv so eine Observation ist, hat die Bewachung eines ehemaligen Sicherungsverwahrten gezeigt“, sagt ein Beamter. Der 54-Jährige war in Moorburg einquartiert und von 16 Polizisten auf Schritt und Tritt verfolgt worden. Eine verdeckte, vom Gefährder unbemerkte Observation würde noch einmal deutlich mehr Personal erfordern. „Das ist völlig illusorisch“, so der Beamte. So habe sich die Polizei nach dem Berliner Anschlag auf „Gefährderverbleibskontrollen“ beschränken müssen.

Im Zusammenhang mit dem IS-Terror musste sich vor dem Hamburger Staatsschutzsenat bisher nur der Bremer Salafist Harry S. (29) verantworten – und muss es vermutlich bald wieder. Er war im Juli wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Die Bundesanwaltschaft hat nun jedoch neue Ermittlungen wegen Mordes in sechs Fällen und der Begehung von Kriegsverbrechen gegen ihn eingeleitet. Zuvor waren Videos aufgetaucht, die seine direkte Beteiligung an IS-Gräueltaten nahelegen.