Harburg . Das Abendblatt hat Menschen in Bezirk und im Landkreis Harburg gefragt, wie ihre Vision für 2017 ist und welche Wünsche sie für das kommende Jahr haben. Den Auftakt macht Harald Krüger, Chef des DRK in Harburg

Für die einen sind Visionen der Anfang jeden Erfolgs, für andere die Kunst, Unsichtbares zu sehen. Harald Krüger (59), seit mittlerweile 31 Jahren Geschäftsführer des DRK Kreisverbandes Hamburg-Harburg, kann sich am ehesten wohl mit dieser Version der Vision anfreunden: Sie ist das gerade noch Machbare. Dabei ist er von Träumerei soweit entfernt, wie sein Kreisverband von einem Kaffeekränzchen. Denn was andere Visionen nennt, sind für Krüger Herausforderungen, Projekte, die es umzusetzen gilt, auf der Basis dessen, was das Deutsche Rote Kreuz in seinem Leitbild festgeschrieben hat und wonach es gilt, „menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern“.

In diesem Sinne hat Krüger an der Schwelle zum Neuen Jahr reichlich Visionen im Gepäck, genug für die nächsten zwei bis drei Jahre.

Das ist zum einen die Tagesaufenthaltstätte mit Übernachtungsplätzen für Obdachlose, die spätestens im Frühjahr eröffnet werden soll (das Abendblatt berichtete). Außerdem wird der Bau für die Kindertagesstätte Vogelkamp beginnen, und zwei weitere Einrichtungen in Wilhelmsburg und Harburg sind ebenfalls in der Planung. Außerdem möchte Krüger in Harburg ein Wohnprojekt für junge Demente ins Leben rufen, also für Menschen, die jünger als 70 Jahre sind und schon an dieser Krankheit leiden. In ganz Hamburg sind das nach Schätzungen um die 4000, was rein rechnerisch auf Harburg bezogen einen Kreis von 400 bis 500 Betroffenen ergibt. Außerdem hat er noch Pläne im Köcher für ein Wohn- und Beratungsprojekt für Mädchen, die schon als Teenager Mütter werden.

Und auch in der Flüchtlingshilfe schlägt das Harburger DRK ein neues Kapitel auf: Es hat den Zuschlag als Betreiber für die Folgeunterkunft Am Aschenland II bekommen, für das sich bundesweit zehn Träger beworben hatten. 700 Menschen sollen hier ihr neues Zuhause finden. „Bei dieser Umsetzung und der so wichtigen Integration der Bewohner in Neugraben-Fischbek mitzuwirken, ist eine Herausforderung“, sagt Krüger. „Vor der haben wir Respekt.“ Er lässt aber auch keinen Zweifel daran, dass Erfahrung und Kompetenz groß genug sind, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Es sind jedenfalls eine Menge Eisen, die Krüger da im Feuer hat. Sie alle zu schmieden, darin ist er geübt. „Es macht mir Spaß, so etwas zu organisieren und auf den Weg zu bringen“.

Seine Erfolgsbilanz ist jedenfalls beachtlich. Als er mit 28 Jahren Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Hamburg-Harburg wurde, hatte dieser gerade Mal 50 Mitarbeiter, heute sind es 1050! Was auch der Grund dafür ist, dass der Kreisverband sich längst und mit einigem Stolz als „Harburgs größte Bürgerinitiative“ bezeichnet.

Krüger war gerade mal 14 Jahre alt, als er zum DRK kam. Den Anstoß hatte sein von ihm sehr verehrter Onkel aus dem Saarland gegeben. Dass ihm das Rote Kreuz auch mal beruflich eine Heimat geben würde, war am Anfang allerdings nicht absehbar. Denn zunächst arbeitete der Dipl.-Sozialpädagoge als Journalist: als Polizeireporter beim Hamburger Abendblatt. Einer seiner Kollegen war damals Thomas Osterkorn, später Chefredakteur des „stern“ (Gruner + Jahr). Krüger der damals schon verheiratet war, musste sich entscheiden: „Meine Frau ist Ärztin, da blieb nicht viel gemeinsame Zeit für uns.“ Als dann die Möglichkeit kam, für das DRK zu arbeiten, überlegte er nicht lange.

Eine weiterer Einschnitt war für ihn und seine Frau der Umzug von Eimsbüttel nach Eißendorf, wo das Paar, das einen erwachsenen Sohn hat, bist heute lebt. Denn sein Einverständnis, den Wohnort zu wechseln, „belohnte“ seine Frau: Sie willigte in die Anschaffung eines Hundes ein. Das war der Anfang. Seither hat Krüger mehrere Hunde gehabt, immer Schäferhunde. Seit zwei Jahren ist Hazel seine treue Begleiterin, eine kanadische weiße Schäferhündin mit haselnussbraunen Augen. Sie begleitet den sozialen Manager auch zu Meetings und Kongressen. Nur Flugreisen sind tabu.

So kommt es, dass Hazel noch nie in Lettland war, ein Land, zu dem Krüger eine besondere Verbindung hat, seit er es 2004, damals noch als CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, zum ersten Mal bereiste: „Das ist meine Adoptivheimat geworden.“ Mehrmals im Jahr bereist er das bitterarme Land. Die langjährige Kooperation mit dem Lettischen Roten Kreuz in Riga („ich mache schon Stadtführungen“) geht auf seine Initiative zurück. Es fehlt dort oft am Nötigsten – Kleidung, Medikamente, Lebensmittel. Aber mindestens genauso wichtig sei die Unterstützung auf anderer Ebene, sagt Krüger: „Wir versuchen das Selbstbewusstsein der Kollegen zu stärken.“ Danach befragt, was er sich für Lettland wünscht, muss Krüger nicht lange überlegen: „Dass es zur Ruhe kommt, und Stabilität und Sicherheit für das Volk.“

Mit seiner Begeisterung für das baltische Land und seine Menschen hofft er schon in absehbarer Zeit viele junge Harburger anzustecken: Im Mai 2017 geht Gospel Train, Hamburgs wohl berühmtester Schulchor, auf Charity-Tour durch Lettland und nach Riga. Vier Tage land geben sie dort mehrere Benefizkonzerte – auch mit einem lettischen Jugendchor: „Alle Erlöse kommen dem Lettischen Roten Kreuz zugute.“

Für Krüger persönlich, aber auch mit Blick auf die jugendlichen Sängerinnen und Sänger, hängt viel an diese Reise. Ganz so wie es der französische Schriftsteller Gustave Flaubert geschrieben hat: „Reisen macht bescheiden, man erkennt, welch kleinen Platz man in der Welt besetzt.“ Für Harald Krüger trifft das ins Schwarze: „Man macht sich bewusst, wie privilegiert wir sind, dass wir hier leben und arbeiten dürfen.“ Er setzt darauf, dass sich die auch jungen Harburger eines bewusst machen: „Dass es ein Glück ist, ein Land bereisen zu können, das vor 25 Jahren noch hinter dem eisernen Vorhang verschwunden war.“