Sotschi.

Russland trauert um die 92 Opfer des Flugzeugabsturzes über dem Schwarzen Meer. Auch Sänger des berühmten Alexandrow-Armeechores waren mit an Bord der Maschine, die nahe des Ferienortes Sotschi abstürzte. Sie sollten in Syrien für ihre Kameraden singen. Doch ihr Flugzeug, eine 33 Jahre alte Tupolew Tu-154 des Verteidigungsministeriums, verunglückte unter ungeklärten Umständen. Bei Sucharbeiten konnten bislang elf Leichen aus dem Meer geborgen worden.

Als die Tupolew auf der Wasseroberfläche aufschlug, war sie bereits zerbrochen, heißt es von Experten. Die Trümmer der Regierungsmaschine verteilten sich aufgrund der starken Strömung über mehrere Kilometer. Am Tag nach dem Unglück konnten Taucher vier weitere Teile orten.

Die kleinen Flugzeugteile lagen etwa 1,6 Kilometer von der Küste des Ortes Adler entfernt in 27 Meter Tiefe. Am Montagnachmittag hätten Taucher sie bergen können, wie ein Sprecher des Suchtrupps mitteilte. Die Flugschreiber sind bisher noch nicht geortet worden.

Als Ursache werde technisches Versagen oder ein Pilotenfehler vermutet, nicht ein Terroranschlag, sagte Transportminister Maxim Sokolow der Agentur Interfax zufolge. Mögliche Ursachen seien Vogelschlag oder schlechtes Kerosin. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, die Überlegung, dass es Terror war, stehe „bei Weitem nicht an erster Stelle“.

Im Urlaubsort Sotschi brannten an der Uferpromenade Kerzen, während die Schiffe auf dem Meer nach weiteren Wrackteilen und Vermissten suchten. Am Hauptsitz des Chores in Moskau legten Menschen Blumen nieder. Die Menschen trauern auch um Jelisaweta Glinka, die prominente Leiterin einer russischen Hilfsorganisation. „Doktor Lisa“, wie sie genannt wurde, hatte eine Medikamentenspende für die Universitätsklinik von Latakia in Syrien begleitet.

Viele Sänger des Ensembles waren Soldaten

Seit dem Absturz gegen 5.30 Uhr Ortszeit am ersten Weihnachtsfeiertag waren mehr als 3500 Helfer, darunter 135 Taucher, an der Suche beteiligt. Zudem sind 39 Schiffe, zehn Hubschrauber und eine Drohne vor der Küste Sotschis im Einsatz.

Die Tragödie stehe „in keinem Zusammenhang mit dem Vorgehen der russischen Luftwaffe in Syrien“, sagte der Außenpolitiker Franz Klinzewitsch, Duma-Abgeordenter der Putin-Partei „Einiges Russland“. „Eine 100-prozentige Sicherheit im Luftverkehr kann niemand garantieren.“ Trotzdem wird Russlands militärische Operation durch das Unglück berührt. Ohne die Flüge des Verteidigungsministeriums mit Passagiermaschinen zwischen Russland und der Basis Hamaimim in Syrien sei der Einsatz nicht möglich. Die Tupolews und Iljuschins transportieren Soldaten, medizinisches Personal, Unterhändler. Auch viele der Sänger waren Soldaten. „Das Alexandrow-Ensemble ist unser Stolz. Dazu gehören eine Reihe Soldaten, die in Krisengebieten waren, und auf gewisse Weise sind sie jetzt im Einsatz umgekommen“, sagte der Vize-Kulturchef der Stadt Moskau, Alexander Kibowski.

Gegründet wurde der Chor 1928 von Alexander Alexandrow (1883– 1946), der 1943 auch die Nationalhymne der Sowjetunion komponierte. Über die Jahrzehnte gesellten sich zu dem Chor ein Orchester und eine Tanzgruppe. Das Repertoire umfasst etwa 2000 Werke, zu denen Kirchenlieder, Volkslieder, Märsche, aber auch Meisterwerke der Popmusik zählen. Der Chor der Roten Armee trat 1948 im besetzten Berlin auf. Die Sänger gaben weltweit Gastspiele, in Berlin gastierten sie zuletzt 2015. Im Mai 2016 übernahm der Generalleutnant Waleri Chalilow die Leitung des Alexandrow-Ensembles.

Viele Trauernde erinnerten sich an den 31. Oktober 2015, als ein Airbus A321 mit 224 russischen Ägypten-Urlaubern über dem Sinai in die Luft gesprengt wurde. Die Täter gehörten mutmaßlich zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). „Die Wurzel des Ganzen ist der Krieg in Syrien“, schrieb der Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow auf Facebook. „Er muss unbedingt gestoppt werden.“