Berlin/Hamburg. IS bekennt sich zu Anschlag. Täter auf der Flucht. Verdächtiger wieder frei. Gottesdienst in Gedächtniskirche. Polizisten mit Schusswesten und Maschinenpistolen patrouillieren in Hansestadt

Trauer und Entsetzen in Deutschland, Europa und in großen Teilen der Welt: Einen Tag nach dem verheerenden Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche mit zwölf Toten und vielen Verletzten ist der Täter weiter auf der Flucht – möglicherweise sogar mit einer Schusswaffe. Ein unmittelbar im Anschluss an den Anschlag festgenommener Pakistaner war nicht der gesuchte Terrorist. Er wurde am Dienstagabend wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahm den Anschlag laut einer Internetmeldung ihrer Propagandaagentur Amak für sich in Anspruch.

In der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist am Abend der Opfer gedacht worden. Am Gottesdienst nahmen etwa 800 Besucher teil, unter ihnen Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesratspräsidentin Malu Dreyer, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ein Rabbiner und mehrere Imame. Etliche europäische Staats- und Regierungschefs sicherten Deutschland Hilfe bei der Aufklärung des Anschlags zu. Auch US-Präsident Barack Obama hat Unterstützung angeboten.

Beim Anschlag sind laut Innenminister Thomas de Maizière keine Kinder, aber möglicherweise Jugendliche und auch Ausländer getötet worden. Die Identifizierung sei zum Teil sehr kompliziert. 14 Menschen ringen nach wie vor mit dem Tod, so de Maizière.

Unterdessen erhöht die CSU den Druck auf die Schwesterpartei CDU. Das CSU-Präsidium unter Leitung von Horst Seehofer stellte am Dienstag das für Februar geplante Spitzentreffen mit der CDU in München unter Vorbehalt. Es müssten vorher entscheidende Fragen in der Zuwanderungs- und in der Sicherheitspolitik geklärt werden, sonst habe das Treffen keinen Sinn.

In Hamburg wurden – wie in anderen deutschen Städten – die Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte verstärkt. So sollen Märkte, deren Buden direkt an der Reeperbahn oder dem Jungfernstieg liegen, mit Absperrgittern geschützt werden. Zudem sei zum Teil eine Umleitung des Lkw-Verkehrs vorgesehen, sagte Innensenator Andy Grote. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer schränkte ein: „Wir können nicht die ganze Stadt Lkw-frei machen.“ Auf den 33 großen Weihnachtsmärkten der Hansestadt sollen sich bis Heiligabend 250 Beamte um die Sicherheit kümmern, sagte Meyer. „Kollegen werden Schutzwesten tragen und Maschinenpistolen dabeihaben“. Grote sagte, die Behörden würden nochmals die islamistische Szene in Hamburg – Verfassungsschutzchef Torsten Voß sprach von „Gefährdern im zweistelligen Bereich“ – in den Blick nehmen.

Meyer verwies darauf, dass es keine konkreten Hinweise auf geplante Anschläge in Hamburg gebe. Eine „absolute Sicherheit“ aber gebe es nicht. Auch Voß sagte, die Behörden befürchteten „aktuell jetzt keine konkreten Anschläge, aber wir haben nach wie vor eine hohe Gefährdungslage“.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) fordert eine harte Bestrafung der Verantwortlichen. „Dieser furchtbare Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und unseren Frieden muss hart bestraft werden“, erklärte er. „Wir fühlen mit den Opfern und trauern mit den Angehörigen der Toten und Verletzten.“

Am Dienstag öffneten die Weihnachtsmärkte in der Hamburger Innenstadt wie geplant. Vor dem Rathaus wehten eine Hamburg-Flagge und eine Deutschland-Flagge auf halbmast. Am Abend gedachten die Gäste des Weihnachtsmarkts und zwei Stunden später die Besucher des Spiels HSV gegen Schalke 04 der Opfer von Berlin.

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