Louisa Band ist intelligent, hübsch und kann toll schreiben. Ihr Traumberuf: Journalistin. Ihr Problem: Sie ist schwerbehindert und muss oft gegen Vorurteile kämpfen

Mein Name ist Louisa Band. Ich bin 16 Jahre alt und gehe in die 11. Klasse des Gymnasiums Finkenwerder. In zwei Jahren möchte ich mein Abitur machen und anschließend studieren. Am liebsten Germanistik oder Politikwissenschaften. Ich liebe es, in meiner Freizeit spannende Bücher zu lesen und mich mit meinen Freunden zu treffen. Ich habe Träume wie jeder andere Mensch in meinem Alter auch. Im Großen und Ganzen bin ich ein ganz normales Mädchen.

Wenn ich vor Ihnen sitzen würde, dann würden Sie das eben beschriebene Mädchen höchstwahrscheinlich nicht sehen, sondern bloß einen Rollstuhl mit einer behinderten Person drin. Das tun zumindest die meisten von Ihnen. Vorurteile über Behinderte in einem Rollstuhl würden Ihr Gehirn regelrecht überfluten und Sie nicht mehr klar denken lassen. Dieses Phänomen erlebe ich tagtäglich. Mit weit aufgerissenen Augen werde ich angestarrt, als wäre ich direkt vom Mars gefallen. Nur die wenigsten hingegen sprechen mich an, denn häufig werde ich ohne große Umschweife direkt als geistig behindert abgestempelt. Manchmal kann ich darüber lachen, doch oft werde ich auch wütend. Schließlich funktioniert mein Gehirn bestens und einen Mund zum Reden besitze ich ebenfalls.

Was ich eigentlich habe? Diese Frage wird sehr oft gestellt. Allerdings nie mir selbst, sondern immer nur der Person, die gerade mit mir unterwegs ist. Der komplette Name meiner Krankheit lautet: Charcot-Marie-Tooth 1b. Ein seltsamer Name für eine seltene Form von Krankheit. Es handelt sich um eine erbliche Nervenerkrankung der peripheren Nerven. Man stelle sich vor, dass die Ummantelung meiner „Bewegungsnerven“ teilweise unterbrochen oder gar nicht erst vorhanden ist. Dadurch wird der Bewegungsapparat der Muskeln in Mitleidenschaft gezogen. Außer meinem Kopf kann ich kein anderes Körperteil bewegen. Ich spüre allerdings alles ohne Probleme. Da ich körperlich sehr eingeschränkt bin, bin ich durchgehend auf Hilfe angewiesen, weshalb ich beispielsweise in der Schule eine Schulbegleitung an meiner Seite habe. Ich schreibe und zeichne mit dem Mund. In der Schule diktiere ich die Texte allerdings, da das schneller geht.

Einige werden jetzt vielleicht Mitleid für mich empfinden, aber ich brauche beim besten Willen kein Mitleid, denn ich bin trotz meiner Krankheit sehr glücklich. Wenn ich im Alltag unterwegs bin, sei es in der Schule oder auch zu Hause, merke ich so gut wie nie, dass ich eigentlich eine schwere Krankheit habe. Wahrscheinlich liegt es an meinem tollen Umfeld. Ich habe großartige Freunde und eine tolle Familie, die mich so nehmen, wie ich bin, und oftmals selbst vergessen, dass ich nicht alles problemlos mitmachen kann.

Erst wenn der alljährliche Routinebesuch im Krankenhaus ansteht, wird mir wieder bewusst, dass ich doch nicht so normal bin, wie es mir immer vorkommt. Aber wer ist schon normal? Gibt es überhaupt normale Menschen? Jeder Einzelne von uns ist auf seine eigene Art und Weise anders, und das ist auch gut so!

Ich war schon immer sehr selbstbewusst, spielte Theater

„Träume nicht dein Leben, sondern lebe deine Träume“, gehört zu meinen Lieblingssprüchen. Ich möchte Journalistin werden. Diesen Traum habe ich rückblickend seit meiner Kindheit. Schon als Sechsjährige schrieb ich meine eigenen Kurzgeschichten und war von Funk und Fernsehen sowie der Zeitung fasziniert.

Ich war schon immer selbstbewusst und spielte beispielsweise in einem Theaterkurs die Hauptrolle, obwohl ich eigentlich noch zu den Kleineren gehörte. Mit zehn Jahren machte ich „Werbung“ für ein neues Gebäude am Altonaer Kinderkrankenhaus, den Lufthafen. Ich wurde von einem Fernsehteam begleitet und durfte eine rasende Reporterin spielen.

Das Feuer in mir war entfacht und ich absolvierte zwei Praktika in der Medienwelt. Das erste bei RTL Nord und das zweite bei NDR 90,3. Das Hamburger Abendblatt ermöglichte es mir, mein letztes Praktikum in der Redaktion „Von Mensch zu Mensch“ zu machen. Ich durfte in alle Bereiche reinschnuppern, an Medienempfängen sowie bei Pressekonferenzen teilnehmen und diesen Artikel eigenständig schreiben.

Es ist wirklich großartig, dass ich bis jetzt positives Feedback trotz meines Handicaps bekommen habe und die Unternehmen sich mit meiner Situation arrangiert haben. Natürlich gibt es auch mal die Gegenseite, die meinen Traum belächelt oder mir davon abrät, auch nur an den Beruf zu denken. Sätze wie „Das würde ich mir in deiner Situation aber noch mal gründlich überlegen!“ bekomme ich auch zu hören. Wenn mir jemand sagt, dass ich etwas so oder so nicht schaffen werde, bewirkt es in mir eher das Gegenteil vom Aufgeben. Ich werde noch ehrgeiziger und möchte exakt den Menschen, die an meinem Traum zweifeln, zeigen, dass ich es schaffen kann.

„Man muss immer positiv denken!“ Den Spruch mag ich auch gern. Ich wäre gerne ein Vorbild für Menschen, die in einer ähnlichen Situation wie ich sind und vielleicht den Kopf deprimiert hängen lassen. Egal wie aussichtslos eine Situation auch scheint, es gibt immer eine Lösung. Ich kann es verstehen, dass es Momente gibt, in denen man sich fragt, warum man selbst ausgerechnet diese Krankheit hat. Diese Momente habe ich auch, aber es bringt nichts, sich auf die negativen Aspekte der Krankheit zu versteifen. Man muss an seine Träume glauben, auch wenn sie unmöglich erscheinen. Ich werde an meinem Traum festhalten und alles dafür tun, Journalistin zu werden. Vielleicht wird der Weg nicht immer einfach sein.

Falls mich einer von Ihnen irgendwann mal auf der Straße treffen sollte, würde ich mich freuen, wenn Sie vielleicht Ihre Vorurteile ausschalten und mich selbst ansprechen, wenn Ihnen danach ist.