Mit einer Kombinationstherapie aus Operation, Chemo-, Hormon- oder Immuntherapie gegen den Tumor

Das Ziel der Krebstherapie ist klar: Es gilt den bösartigen Tumor zu entfernen oder zumindest das Wachstum und die Ausbreitung der Krebszellen einzudämmen. Wo der Chirurg zum Skalpell greift, der Internist hochwirksame Medikamente verabreicht, setzt der Radioonkologe auf Strahlen. Sie schädigen das Erbgut der Krebszellen so, dass sich diese nicht mehr vermehren können oder sofort absterben. Dabei kann die Strahlung von außen (Teletherapie) oder von innen kommen (Brachytherapie). Die Strahlentherapie trägt bei mindestens jedem zweiten Patienten, der an Krebs erkrankt war, zur Heilung bei.

„In den vergangenen fünfzehn Jahren hat es in der Strahlentherapie eine Revolution gegeben“, sagt Professor Dr. Florian Würschmidt, Facharzt für Strahlentherapie in der „Radiologischen Allianz“. „Heute können wir die Dosis viel genauer auf das erkrankte Gebiet fokussieren. Die Bestrahlungsfelder sind kleiner geworden. Das sorgt dafür, dass das gesunde Gewebe besser geschont und die Verträglichkeit erhöht wird. Und wir können das erkrankte Gewebe intensiver bestrahlen, so dass die Behandlung kürzer wird.“ Bei komplexen Behandlungen, zum Beispiel in der Strahlentherapie von Kopf-Hals- und Gebärmutterhalstumoren, verringerte sich beispielsweise die tägliche Behandlungszeit von 30 bis 45 Minuten auf fünf bis zehn Minuten.

Dieser medizinische Fortschritt, der eine personalisierte Therapie erlaubt, basiert auf mehreren technischen Entwicklungen. Zum ersten verfügen die Mediziner heute über leistungsstarke Computer. Diese ermöglichen ihnen, komplexe und maßgeschneiderte Behandlungspläne für jeden Patienten zu erstellen – früher hätten die Mediziner zwei bis drei Tage gerechnet.

Zum zweiten erzeugen die Geräte einen Röntgenstrahl, der hochpräzise ist und in seiner Intensität je nach Fall variieren kann. Diese Linearbeschleuniger, die früher nur mit der Forschung in Verbindung gebracht wurden, stehen heute in zahlreichen Kliniken und Radiologischen Zentren. Zum dritten wurden hochauflösende bildgebende Verfahren wie die Computertomografie in die Behandlung integriert. Modernste Geräte nutzen aktuelle Bilder aus dem Körperinneren, um den Strahl optimal zu steuern. „So überprüfen wir vor einer Behandlung, ob der errechnete Bereich mit dem vorhandenen Tumor übereinstimmt. Dadurch können wir viel gesundes Gewebe aussparen“, sagt Würschmidt. Außerdem zeigten Studien, dass die Dauer einer Behandlung beim Brustkrebs vermutlich von derzeit noch fünf bis sechs Wochen auf drei bis vier Wochen gesenkt werden könne, „weil wir dank Forschung und mathematischer Modelle die Wirkung von Strahlen an den Tumorzellen und den gesunden Körperzellen besser verstehen.“ Auch bei einigen Formen des Prostatakarzinoms oder Frühstadien des Lungenkrebses könne es zu einer Verkürzung der Therapie kommen (Stichwort: hypofraktiontierte Strahlentherapie).

Darüberhinaus eröffnet dieser Technologieschub den Ärzten ganz neue Behandlungsmöglichkeiten. „Dank ihrer hohen Präzision können die neuen Verfahren auch tieferliegende Tumore oder Metastasen im Körper oder Kopf ins Visier nehmen, die als kaum behandelbar galten. Die hochdosierten Röntgenstrahlen ersetzen dann das Skalpell, indem sie aus unterschiedlichen Einstrahlwinkeln punktgenau auf den Tumor oder die Metastase treffen, während das umliegende Gewebe geschont wird“, sagt Würschmidt. Diese sogenannte Radiochirurgie, die ohne Schnitt und Narkose auskommt, ist eine Alternative zur Operation bei Hirntumoren, die tief oder in enger Nachbarschaft zu lebenswichtigen Regionen des Gehirns wie der Sehnervenkreuzung oder motorischen Zentren liegen. Auch bei kleinen Tumoren im Kopf-Halsbereich sowie kleinen Tumoren und Metastasen in Lunge, Leber, Prostata, an der Wirbelsäule oder im Rückenmark kann diese Therapieform helfen.

Meist ist die Strahlentherapie Teil einer Kombinationstherapie aus Operation, Chemo-, Hormon- oder Immuntherapie. Dann erstellen Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam einen Behandlungsplan. „In Tumorboards kooperieren internistische Onkologen, Chirurgen, Strahlentherapeuten, Radiologen, Pathologen und – je nach Art der Krebserkrankung – Gynäkologen, Urologen oder Neurologen“, sagt Dr. Würschmidt. Vielversprechend seien neue Erkenntnisse aus der Kombination von Strahlen- und Immuntherapie, die bereits heute beim Schwarzen Hautkrebs erfolgreich genutzt wird. „Starben vor zehn Jahren noch 90 Prozent unserer Patienten, so können heute möglicherweise bis zu 60 Prozent dieser Patienten geheilt werden“, so Würschmidt. Überhaupt könnte in dieser Kombination noch ein großes Potenzial stecken, denn erste Studien zeigen, dass sie das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen Krebszellen stärken kann.

„Der nächste Schritt in der Strahlentherapie wird sein, dass wir den Behandlungsplan dank verbesserter Bilder täglich exakt an die zu bestrahlende Region und Tumorausdehnung anpassen können“, sagt Würschmidt. Mit einer adaptiven Strahlentherapie erhöht sich die Wirksamkeit, und die Nebenwirkungen werden noch geringer werden.