Das Drama „Paula – Mein Leben soll ein Fest sein“ schildert mit viel Frische die Emanzipation der Künstlerin Paula Becker

Entweder sie heiratet oder sie muss eine Stelle als Gouvernante annehmen, droht der Vater: „Frauen können keine Malerinnen werden.“ Die junge Frau sieht das ganz anders, packt ihre wenigen Sachen und zieht von Bremen in das nahe Worpswede, mitten durchs Teufelsmoor, wo sich seit zehn Jahren eine Künstlerkolonie angesiedelt hat. Dort aber erweist sich ihr Lehrer, Fritz Mackensen, als nicht weniger chauvinistisch und frauenverachtend. Das einzige, was Frauen erschaffen könnten, seien Kinder, mit Malen würden sie nur Langeweile totschlagen.

Es ist, wie man sieht, ein Trugschluss, dass die Künstler-Bohème toleranter und moderner sein müsse als der Rest der Gesellschaft. In diesem Worpswede um 1900 feiert sich ein elitärer Malerkreis um Mackensen, Heinrich Vogeler und Otto Modersohn. Auch der Dichter Rainer Maria Rilke lässt sich hier inspirieren. Aber Frauen werden in der Malerei nur als Aktmodell geschätzt, nicht als „Malweib“. Für eine wie diese Paula Becker, die viel Farbe mit lautem Plopp auf die Leinwand tupft, ist da wenig Verständnis. Mackensen tadelt sie, Aufgabe der Malerei sei es, die Natur exakt nachzubilden. Sie hält dagegen: Empfindung sei wichtiger als Nachahmung. Und weckt damit das Interesse von Otto Modersohn.

Künstler-, vor allem Malerporträts, stehen derzeit hoch im Kinokurs

„Paula“ ist eine filmische Hommage auf die lange verkannte Paula Modersohn-Becker (1876-1907), die jung gestorben ist, aber ein immenses Werk hinterlassen hat. Die Autoren Stefan Kolditz und Stephan Suschke hatten schon zu DDR-Zeiten an ihrem Drehbuch gearbeitet, doch es mussten fast 30 Jahre vergehen, bis ihr Projekt endlich realisiert wurde. Und es musste erst ein Christian Schwochow kommen, der sich mit Filmen wie „Novemberkind“ oder „Westen“ als großer Frauenregisseur erwiesen hat.

Künstler-, vor allem Malerporträts, stehen derzeit hoch im Kinokurs, sei es „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ oder „Meine Zeit mit Cézanne“. Dabei geht es meist darum, wie sich ein noch verkanntes Genie durchzusetzen hat. Hier muss sich auch das Geschlecht durchsetzen. Ein Frauenbild, das durch Bilder infrage gestellt wird. Schwochow ging es dabei um kein klassisches Biopic. Von Anfang an wollte er den Fehler umgehen, dem so viele Historienfilme erliegen: das Ausstellen von und Erstarren in Dekors.

Seine „Paula“ kommt sehr heutig daher. Das spiegelt sich vor allem in der Hauptdarstellerin. Die Schweizerin Carla Juri, 2013 mit „Feuchtgebiete“ bekannt geworden, hat etwas Widerspenstiges, ist in ihrer Art und ihrem Spiel viel zu modern und passt nicht recht in einen Kostümfilm. Doch genau das erweist sich als Besetzungscoup: Auch die Modersohn-Becker war ihrer Zeit voraus. Mit kecken Schritten stapft Juri durch diesen Film und verliert immer wieder den Hut. Wie um zu unterstreichen, dass dieser Wirbelwind sich nicht aufhalten lässt.

Paula Becker hat Modersohn geheiratet, floh aber der Ehe, die der Mann nicht vollziehen wollte, und ging nach Paris. Im Film drängen die Malerfreunde ihn, seine Frau zurückzuzwingen – oder in eine Klinik einzuweisen. So haben Männer damals ihre Domäne verteidigt. Rilke wiederum rät ihr, die deutsche „Kleingartenkunst“ hinter sich zu lassen. Die Frau geht einen eigenen, dritten Weg. Radikal, mit einem Werk, das schreit. Und Schwochow hat gemeinsam mit seinem Kameramann großartige Bilder für diese Emanzipationsgeschichte gefunden. Neben Juri brilliert auch Schwochows Stamm-Mime Albrecht Abraham Schuch als verdruckster Modersohn. Gestrig wirkt das Ganze dabei nie. Das Ringen um Selbstverwirklichung und ein freies Leben ist vielmehr ein ganz heutiges, universelles Thema.

„Paula – Mein Leben soll ein Fest sein“ D 2016, 123 Min., ab 12 J., R: Christian Schwochow, D: Carla Juri, Albrecht Abraham Schuch, Joel Basman, täglich im Abaton, Holi, Zeise; www.paula-film.de;Dokumentation „So weit so groß – Die Natur des Otto Modersohn“ D 2010, 81 Min., o. A.,
Sa 12.45 im Abaton