Berlin.

Die Zeit des vorweihnachtlichen Backens hat begonnen, Omas Plätzchenrezepte werden herausgekramt. Doch so mancher Tipp wie „trockene und feuchte Zutaten getrennt voneinander mischen“, „vorsichtig unterheben – nicht rühren“ wird geflissentlich überlesen – denn anders geht es oft schneller. Am Ende schmeckt es meistens trotzdem gut, auch wenn die Konsistenz nicht perfekt ist. Warum mancher Schritt sich trotzdem lohnt und was dabei mit den Zutaten vor sich geht, haben Testköche und Wissenschaftler unter der Leitung des Chemikers und Harvard-Dozenten Guy Crosby ausprobiert. Ihre Ergebnisse stellen sie in einem Ratgeber vor, den in Deutschland die Stiftung Warentest verlegt. Die besten Tipps der Wissenschaftler:

Backpulver oder Natron?

Die Wahl des Backtriebmittels entscheidet sich oft an der Landesgrenze: Amerikaner bevorzugen Natron, in Deutschland steht meist Backpulver in der Zutatenliste. Doch wo liegt der Unterschied? Natron, das eigentlich Natriumhydrogencarbonat heißt, bildet mit sauren Zutaten wie Quark, Buttermilch oder Joghurt Kohlendioxid. Es bildet Blasen im Teig und lässt ihn aufgehen. Backpulver ist eine Weiterentwicklung dieses Prinzips: Es ist eine Mischung aus Natron, einer Säurequelle und zum Beispiel Maisstärke. Die Stärke trennt die beiden Komponenten im Trockenzustand, sie reagieren erst miteinander, wenn Flüssigkeit ins Spiel kommt.

Beide haben Vor- und Nachteile: „Beim Backen verwendet man Backpulver statt Natron, wenn der Teig keine säurehaltigen Zutaten enthält“, erklärt Lisa Frischemeier von Stiftung Warentest, die an der deutschen Ausgabe des wissenschaftlichen Back-Ratgebers mitarbeitete. „Durch zu viele säurehaltige Zutaten wiederum kann Backpulver deaktiviert werden, die Zugabe von Natron kann das verhindern.“ Die amerikanischen Testköche haben beim Plätzchenbacken mit beiden Varianten experimentiert.

Das Ergebnis: Beides zusammen führt zum besten Geschmack (2 TL Backpulver und ½ TL Natron auf 280 Gramm Mehl). Zwar würden die Plätzchen mit Backpulver allein ebenso gut aufgehen, aber Natron würde zusätzlich die Säure des Teigs neutralisieren – dieser Prozess begünstige die Bräunungsreaktion, die wiederum komplexere Aromen entstehen lasse.

Weißer oder brauner Zucker?

Der eine mag seine Plätzchen weich und biegsam, der andere knusprig und bröselig. „Zucker hat großen Einfluss auf diese Textur“, sagt Frischemeier. Maßgeblich dafür ist die Struktur des Zuckers. Es gibt sogenannte Einfachzucker wie Glucose und Fructose und Zweifachzucker wie den handelsüblichen Haushaltszucker, auch Saccharose genannt, der sich aus Einfachzuckern wie Glucose und Fructose zusammensetzt.

„Erhitzt man Saccharose mit etwas Säure auf 160 bis 186 Grad, zerfällt sie in ihre zwei Einfachzucker – es entsteht sogenannter Invertzucker“, erklären die Testköche den Prozess, der in Plätzchen und Co. beim Backen vorgeht. „Invertzucker ist zähflüssig und bindet Wasser besonders stark.“ Diese Eigenschaft können sich Hobbybäcker zunutze machen, so die amerikanischen Küchentüftler. Wer besonders saftig-weiche Plätzchen möchte, sollte demnach Rohzucker verwenden. Er wird als roh bezeichnet, weil er nicht vollständig gereinigt, im Fachjargon raffiniert, ist.

Deshalb ist er hellbraun. Aber Achtung: Brauner Zucker ist nicht automatisch Rohzucker. Meist wird mit Zuckersirup verfeinerter raffinierter Zucker als „Brauner Zucker“ verkauft – die Packungsangaben sollte man deshalb genau lesen. „Beim Backen entsteht aus Rohzucker mehr Invertzucker als aus Haushaltszucker“, erläutert Frischemeier die Beobachtungen der Testköche. Der Invertzucker binde das Wasser auch nach dem Backen noch in den Plätzchen, so würden sie auch beim Abkühlen nicht hart. Mit dem raffinierten weißen Haushaltszucker gebackene Plätzchen hingegen wurden in der Testküche knusprig-spröde.

Rühren oder Mixen?

Für Muffins, Brownies und anderes Gebäck aus Rührteig werden die Zutaten meist mit einer bestimmten Technik vermischt: Die trockenen Zutaten werden in einer Schüssel vermischt, die flüssigen in einer anderen, erst zuletzt kommt beides zusammen. Das hat seine Berechtigung: Sobald flüssig auf trocken trifft, wird nicht nur das Backpulver aktiviert, sondern auch das Mehl beginnt sich zu verändern. Mehlprotein besteht aus zwei Proteintypen: Glutenin und Gliadin. Flüssigkeit sorgt dafür, dass die beiden sich „zu langen elastischen Strängen verbinden – dem Gluten“, erläutern die Back-Tester. Je mehr und je intensiver das Gemisch vermengt wird, umso weiter und intensiver schreitet dieser Prozess fort. Der Teig wird fester und klebriger, gebacken hat er die Konsistenz von Brot. „Ein Muffin mit dieser Konsistenz wäre misslungen“, urteilen die Testköche. „Zerlassene Butter, Öl oder die Emulgatoren des Eigelbs verhindern oder verlangsamen die Bildung von Gluten im Teig. Aber je stärker gerührt wird, desto mehr Gluten entsteht“, erklärt Frischemeier. Der Rat der US-Tester: „Auf kräftiges Rühren – egal ob mit Schneebesen oder Elektromixer, sollte unbedingt verzichtet werden.“ Wichtig sei, dass zum Schluss noch Mehlschlieren zu sehen sind. Sei der Teig ganz glatt, sei er wahrscheinlich zu stark vermengt worden.

Mehl-Type 405 oder 550?

Dicke Schoko-Cookies dürfen beim Zerkauen ruhig ordentlich knacken, Vanillekipferl hingegen sollten auf der Zunge zergehen. Das Mundgefühl lässt sich mit der richtigen Mehlsorte steuern, verraten die US-Köche. „Um superzarte Plätzchen zu backen, darf der Teig von Anfang an nur wenig Protein enthalten, also wenig Gluten, andernfalls wird die Struktur durch das Klebereiweiß zu fest“, so die Erklärung aus der Testküche. „Viele Rezepte sehen deswegen Mehl der Type 405 vor, da es wesentlich weniger Protein als etwa Type 550 enthält“, ergänzt Frischemeier. Mehl der Type 550 habe einen relativ hohen Proteingehalt von zehn bis 13 Prozent. Type 812 werde vor allem für Brot verwendet, weil es mit einem Proteingehalt von zwölf bis 14 Prozent viel Gluten bildet. „Mehl der Type 405 hat lediglich bis zu elf Prozent Protein“, so Frischemeier.