Freiburg.

Maria L. kam von einer fröhlichen Feier – wenige Minuten später war die 19-Jährige tot. Der Fund ihrer Leiche am Fluss Dreisam Mitte Oktober sorgte bundesweit für Entsetzen. Jetzt, knapp sieben Wochen später, hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen. Ein 17 Jahre alter Afghane, der 2015 als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland kam, soll die Tat begangen haben. „Es besteht dringender Tatverdacht wegen Vergewaltigung und Mordes“, erklärt Dieter Inhofer, Chef der Staatsanwaltschaft Lörrach, bei einer eilig zusammenberufenen Pressekonferenz. Der junge Mann wird nach Jugendstrafrecht angeklagt. Ihm drohen damit maximal zehn Jahre Haft. Eine Sonderkommission mit 68 Ermittlern arbeitete zuletzt an diesem Fall und konnte die letzten Minuten im Leben von Maria L. fast lückenlos rekonstruieren.

Über eine Internet-Umfrage wurden Studenten, die wie Maria L. in der Tatnacht des 16. Oktober auf einer Uni-Party waren, zu ihren Beobachtungen befragt. Auch Handyfotos und -videos konnten die Studenten hochladen. Daraus konnten die Ermittler herleiten, dass Maria L. bis etwa 2.40 Uhr auf der Feier gewesen sein muss. „Danach begab sie sich auf ihren gewohnten Heimweg“, berichtet Soko-Leiter David Müller. Doch hier steckten die Ermittler zunächst fest. Auch 35.000 Euro Belohnung, 1600 Hinweise, 1400 Zeugenvernehmungen sowie DNA-Proben brachten nicht die entscheidende Spur. Als wenig später eine Joggerin im 30 Kilometer von Freiburg entfernten Endingen ermordet wird, steigt der Druck. Ist hier ein Serientäter am Werk?

Straßenbahn-Video führte zum Verdächtigen

Gegen drei Uhr nachts muss Maria L. auf ihren späteren Mörder getroffen sein. Am Tatort finden Chefermittler David Müller und seine Kollegen ein Fahrrad und einen schwarzen Schal. Beides zunächst wenig hilfreich. Deshalb wird eine Brombeerhecke abgemäht, in der Hoffnung, darin Hinweise zu finden.

Und tatsächlich: Die Spurensicherung findet in den drei Säcken Dornengebüsch ein Haar. 18 Zentimeter lang, schwarz, aber mit auffälliger blonder Färbung. „Damit hatten wir einen wichtigen Hinweis“, erklärt Soko-Chef Müller. Was folgt, ist eine groß angelegt Videosichtung. Rund um die Uhr schauen sich Polizeibeamte Aufnahmen aus Sicherheitskameras der Verkehrsgesellschaft und öffentlichen Plätzen an. Eine junge Beamtin ist es schließlich, die den entscheidenden Blick hat. Um 1.57 Uhr steigt ein junger Mann in die Straßenbahnlinie 1. Er trägt eine schwarze Jacke, einen schwarzen Schal – und hat schwarze, teilweise blond gefärbte Haare. Er steigt an der Endhaltestelle aus, nur knapp einen Kilometer vom Tatort entfernt, in unmittelbarer Nähe zum Stadion des Vereins SC Freiburg. Die Ermittler sind sich sicher: Das ist er.

Vier Tage später wird der Afghane festgenommen. Inzwischen sitzt er in Untersuchungshaft. Die am Tatort gefunden DNA-Spuren passen zu ihm. Geäußert hat er sich zu den Vorwürfen offenbar noch nicht. Die Familie, bei der er zuletzt untergebracht war, wurde von der Polizei unmittelbar nach der Festnahme informiert.

Doch es bleiben offene Fragen. „Wir wissen zum Beispiel noch nicht, ob es eine Beziehung zwischen Opfer und Verdächtigem gab. Ob sich beide kannten“, sagt David Müller. Auch die genauen Umstände der Tat sind noch unklar. Laut Obduktion starb Maria L. durch Ertrinken. Auch werde geprüft, ob der Festgenommene für andere Taten verantwortlich ist. Und dann gibt es da auch noch den Fall der getöteten Joggerin aus Endingen. „Wir haben bislang keine Verbindung zum Tötungsdelikt in Endingen“, sagte Staatsanwalt Dieter Inhofer auf der Pressekonferenz.

Im Internet löste die Festnahme des Tatverdächtigen in Freiburg Debatten über die Flüchtlingspolitik aus. Besonders kritisiert wurde auch die ARD, die in der 20-Uhr-Ausgabe der „Tagesschau“ auf eine Meldung zu dem Fall verzichtet hatte. Der Fall habe eher „regionale Bedeutung“, zudem gelte bei dem noch minderjährigen Verdächtigen „der besondere Schutz von Jugendlichen“, schrieb die Redaktion von ARD-Aktuell in einem Facebook-Kommentar. Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) mahnte zur Besonnenheit und rief dazu auf, „die Herkunft des Täters nicht für Pauschalurteile heranzuziehen, sondern den Einzelfall zu betrachten“.