Matthias Gretzschel

ilber hat die unangenehme Eigenschaft, zu oxidieren. Wenn das Material mit Sauerstoff in Berührung kommt, läuft es an. Deshalb ist jeder einzelne Gegenstand besonders gut verpackt“, sagt Restauratorin Cornelia Botha, die aus dem gesicherten Schrank behutsam ein Objekt herausnimmt. Sie löst die Verpackung, sodass ein reich verziertes Thora-Schild zum Vorschein kommt, ein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Altona hergestelltes jüdisches Kultobjekt. „Dieses silberne Schild, das die Gesetzestafeln zeigt und mit einer Krone abschließt, wurde mit einer Kette über den Mantel der Thora gehängt. Es stammt aus einer Privatsynagoge, die sich in der Peterstraße befand“, erklärt die Restauratorin. Hier, in der Silberkammer des Altonaer Museums, werden Leviten-Kannen und Becken, Thora-Kronen, Seder-Teller, Chanukka-Leuchter und zahlreiche weitere Kultgegenstände aufbewahrt, die zur Judaica-Sammlung des Hauses gehören.

Dass das Altonaer Museum über einen so reichen jüdischen Bestand verfügt, hängt mit der liberalen Tradition dieser Stadt zusammen, die zunächst dänisch und dann preußisch verwaltet wurde, bevor sie 1938 zu Hamburg kam. Anders als in der in religiösen Fragen intoleranten Hansestadt durften Juden in Altona schon seit Mitte des 17. Jahrhunderts ihre Religion ausüben und ihre Toten bestatten. Für Otto Lehmann, den Gründungsdirektor des Altonaer Museums, war es selbstverständlich, Zeugnisse der jüdischen Kultur in der Stadt zu sammeln und zu präsentieren. So erwarb er zum Beispiel 1913 von dem in Hamburg ansässigen Händler Julius Hirsch für 1500 Reichsmark das komplette Inventar einer Synagoge. So war es möglich, bereits 1914 im Museum einen „Jüdischen Kultraum“ einzurichten, der den Besuchern nicht nur die Ausstattung einer Synagoge vor Augen führte, sondern auch die rituelle Bedeutung der einzelnen Objekte erklärte. „1933 wurde der Kultraum auf Druck der Nationalsozialisten abgebaut, allerdings konnten viele Objekte im Haus quasi versteckt werden, sodass die Judaica-Sammlung weitgehend erhalten blieb“, erklärt Kuratorin Vanessa Hirsch. Von 1964 an konnten wesentliche Teile davon im Rahmen der Stadtgeschichtlichen Abteilung im Themenraum „Religiöse und geistige Freiheiten in Altona“ wieder präsentiert werden, bis die gesamte Abteilung nach dem Brand des Museums im Mai 1980 abgebaut werden musste. Erst 18 Jahre später war die Judaica-Sammlung wieder in größerem Umfang zu sehen, und zwar in der Sonderausstellung „Schatten. Jüdische Kultur in Altona und Hamburg“. „Selbstverständlich haben wir unsere Judaica auch später immer mal wieder in Sonderausstellungen präsentiert, zuletzt in der großen Jubiläumsschau zum 350. Stadtjubiläum“, sagt Vanessa Hirsch. Eine umfassende und dauerhafte Präsentation des bedeutenden Bestands, der etwa 60 wertvolle silberne Kultgegenstände, Textilien und andere Objekte, aber auch zahlreiche Archivalien, Abbildungen und eine umfassende Sammlung an Porträts jüdischer Persönlichkeiten umfasst, wird erst in der für die Zukunft geplanten neuen Dauerausstellung zur Altonaer Stadtgeschichte möglich sein. Bis dahin bleiben das silberne Thora-Schild aus der Hamburger Privatsynagoge, die kostbaren Thora-Zeiger, Kiddusch-Becher, Widderhörner, Amulette und Leuchter weiterhin sorgsam verwahrt im streng gesicherten Depot des Altonaer Museums.