Bad Salzungen.

In Schlauchbooten fahren die Polizisten die Ufer ab, mit ihren Paddeln stochern sie im Gebüsch. Fieberhaft fahnden die Beamten nach dem kleinen Jungen, doch Schneeregen macht die Suche schwierig. Bislang haben sie das Kind nicht gefunden. Angesichts dieser Bedingungen ist es kaum vorstellbar, dass es noch lebt.

Die Polizei vermutet, dass ein einjähriger Junge sterben musste – von der eigenen Mutter in die Werra bei Bad Salzungen in Südthüringen geworfen. Die Ermittler nahmen die 35-Jährige wegen des „Verdachts auf ein Tötungsdelikt“ fest. Eine Polizeisprecherin sagte am Dienstag, der Verdacht habe sich aus den bisherigen Ermittlungen ergeben. Eine Bekannte hatte am Montag für die „völlig verstörte“ Mutter des Jungen einen Notarzt gerufen und die Polizei informiert, hieß es. Ermittler sagten, die Frau sei „psychisch hoch belastet“. Sie befindet sich in medizinischer Betreuung.

Von ihrem Sohn fehlt jede Spur. Die idyllische Kurstadt Bad Salzungen mit ihren 16.000 Einwohnern, ihren Rehakliniken, Parks und einem See im Ortszentrum erlebt einen der größten Polizeieinsätze ihrer Geschichte. Die Suche konzentriert sich auf den Fluss Werra. „Das Gebiet wird weiträumig abgesucht“, sagte die Polizeisprecherin. Die Stelle, an der die Mutter den Einjährigen ins Wasser geworfen haben soll, sei bekannt. Angesichts des nasskalten Wetters schwinden die Chancen jedoch, den Jungen lebend zu finden, so die Sprecherin.

Wieder eine Mutter, die ihr eigenes Kinder tötet. Erst vor einer Woche erstach eine 28-Jährige in Lünen im Ruhrgebiet ihre beiden Kleinkinder. Im Juli wurde eine 45-Jährige wegen mehrfachen Totschlags verurteilt: Auf ihrem Grundstück im fränkischen Wallenfels waren acht Babyleichen gefunden worden. Im Juni verurteilte ein Hamburger Gericht eine 29-Jährige zu mehr als sieben Jahren Haft, weil sie ihr Baby mit einer Decke erstickt hatte. Vor Gericht berichtete die Frau, eine innere Stimme habe ihr gesagt: „Töte das Kind, sonst wirst du nie mehr glücklich sein.“

Laut Bundeskriminalamt wurden im vergangenen Jahr 54 Kinder Opfer von Mord oder Totschlag – in mehr als 90 Prozent der Fälle war der Täter ein Eltern- oder Stiefelternteil. Jedoch: „Vor 200 Jahren waren die Zuchthäuser voll mit ledigen Müttern, die ihre Kinder getötet haben. Heute ist das anders“, sagt der Psychiater Michael Soyka, Autor des Buches „Wenn Frauen töten“. Soyka hat viele Morde untersucht. Die Tat von Bad Salzungen bewegt ihn dennoch besonders. Denn häufig wollten Mütter trotz allem nicht, dass ihre Kinder Schmerzen erleiden. Das eigene Kind einfach in einen Fluss zu werfen, sei hingegen „eine relativ aggressive Handlung“.