Berlin.

Plötzlich sind sie nicht mehr zu sehen: der Kiebitz, die Feld-
lerche, das Reh. Das waren einst Allerweltsarten. Heute sind sie „rar“, sagt Christoph Heinrich. Heinrich kennt sich mit dem Schwund der Arten aus wie sonst kaum einer. Sein Job: Vorstand Naturschutz bei der Umweltorganisation WWF. Am Donnerstag hat er eine Art Weltzustandsbericht vorgestellt, den Living Planet Report 2016. Deutschlands Natur leidet. Aber nicht nur sie.

Weltweit haben sich die Bestände der Wildtiere innerhalb von nur vierzig Jahren, von 1970 bis 2012, mehr als halbiert. Jedes Jahr gibt es zwei Prozent weniger Tiere. Der Grund steht im Report gleich am Anfang. Die Menschheit überfordert die Erde. Sie habe sich in „bedrohlicher Weise über andere Lebewesen erhoben.“

Tatsächlich sprechen immer mehr Wissenschaftler von einem neuen erdgeschichtlichen Zeitalter, dem Menschen-Zeitalter, Anthropozän. Der Mensch gräbt nach Rohstoffen, rodet Wälder, beackert den Boden intensiv. Er fischt auch große Fänge aus den Meeren. Ganze Ökosystem verschwinden. Zudem heizt er die Temperaturen an, weil er mehr Treibhausgase ausstößt, als die Erde aufnehmen kann. Er hinterlässt unwiederbringlich Spuren – und lebt über seine Verhältnisse.

Heinrich sagt es so: „Pro Jahr verbraucht die Menschheit die Ressourcen und Leistungen von 1,6 Planeten.“ Tendenz: Steigend. Im Report schreiben er und seine Kollegen, dass „ungemütliche Zeiten“ anbrechen, wenn sich nichts ändere. Die Erde werde „unwirtlich“. Sie ist im Stress.

In Deutschland macht der WWF vor allem einen Schuldigen für den Schwund aus: die Landwirtschaft. Knapp 30 Prozent von 32.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die hierzulande untersucht wurden, sind in ihrem Bestand gefährdet, knapp sechs Prozent ausgestorben. Auf den Äckern landeten zu viele Pestizide und Stickstoff-Dünger.

Ein anderes Problem laut Report: Die deutschen Landwirte importieren große Mengen Sojafutter, vor allem aus Südamerika. Fleischlieferanten, also Rindern und Schweinen, gibt dies Kraft. Doch werden für Sojafelder vielfach Regenwälder abgeholzt. „Wir sind übergriffig, wir nehmen anderen Flächen weg“, sagt Naturschutzexperte Heinrich, „Fleisch wird in der Tragweite der Zerstörungskraft unterschätzt. Es toppt alles.“