Paderborn.

Sie sollen gefoltert und gemordet haben, ihr Anwesen nennt man das „Horror-Haus“, das Duo ein „Folter-Paar“ und die Frau gar eine „Hexe“. Aber dann ist es wie meist vor Gericht: Die rasende Neugier des Publikums prallt unsanft auf zwei gewöhnlich aussehende Menschen. Wilfried und Angelika W., die im ostwestfälischen Höxter-Bosseborn über Jahre Frauen unterdrückt und gequält haben sollen, zwei von ihnen zu Tode. Angelika W. (47) hat das selbst in vielen Einzelheiten erzählt; vor allem darauf stützt sich die am Mittwoch vor dem Paderborner Landgericht verlesene Anklage.

Und dann steht da ihr 46-jähriger Ex-Mann, Bart, Bauch, Brille – und schaut freundlich in die Kameras. Manchmal nickt er, als wollte er fragen: „Habt ihr alle euer Bild?“ Angelika W. sitzt klein und versteckt hinter einem rosafarbenen Aktendeckel, Wilfried W. präsentiert sich. Und ist doch nervös. Das Auge zuckt, die Lippen arbeiten, auch als Staatsanwalt Ralf Meyer vorliest: 50 aus 3000 Seiten der Akte, monoton und oft schwer verständlich, aber der Text wirkt auch so.

Mord durch Unterlassen wirft er dem Paar vor, zwei Frauen, 33 und 41 Jahre alt, überlebten ihre Verletzungen nicht. Keine starb durch unmittelbare Gewalt, sondern an ihrem langen Leiden. Eine Leiche soll Angelika W. zerstückelt und verbrannt haben, die andere Frau starb im Krankenhaus: So war das Paar im Mai aufgeflogen. Schwere Körperverletzung steht zudem in der Anklage, in wie vielen Fällen, weiß man noch gar nicht: Die Ermittler suchen nach weiteren Opfern. Nur eines rang sich bislang durch, seine Leidensgeschichte zu offenbaren.

Angelika W. hat sichselbst erheblich belastet

Angelika und Wilfried W. hatten sich scheiden lassen, wie der Ankläger vorträgt. Sie blieben aber in dem Haus wohnen und entschieden, mit Partnerschaftsanzeigen eine Frau zu suchen, die Wilfried W. als Leibeigene dienen sollte. Sie fanden Annika F. aus Uslar, die schon 2013 aus Niedersachsen nach Höxter zu dem Paar zog, das sich fortan als Bruder und Schwester ausgab. „Sie wollten das Leben der Frauen kontrollieren wie Leibeigene, sie nach Belieben beherrschen, ihren Willen brechen.“ Vergiftet, gewürgt, geschlagen, mit eiskaltem oder brühend heißem Wasser wurden die Opfer übergossen, an die Heizung gekettet, in der Badewanne gefesselt, ihre Haare in Büscheln ausgerissen.

Noch Schlimmeres trägt die Anklage vor, noch grausigere Details sind in der Aussage von Angelika W. zu erwarten. Sie müsste das alles nicht erzählen, wäre es nach ihren Verteidigern gegangen, vor allem auf ihre Aussagen stützt sich ja der Prozess. „Sie hat sich selbst erheblich belastet“, sagt Anwalt Peter Wüller, aber sie habe das so gewollt: Sie sei „erleichtert, nach bald zwei Jahrzehnten des Terrors aus dem Wahnsinn herausgekommen“ zu sein. 17 Jahre hatte sie mit Wilfried W. zusammengelebt, in der U-Haft soll sie aufgeschrieben haben, wie sie selbst litt: Hunderte grausamer Einzeltaten listete das Magazin „Stern“ auf, „auch sie“, bestätigt Anwalt Wüller, „wurde übelst misshandelt“. Sie soll ihrem Mann hörig gewesen sein, zum Teil gefoltert haben, um selbst verschont zu bleiben. Was auch die Verteidigung ratlos macht: „Sie liebt ihn immer noch.“

Er indes, der seiner Ex-Frau über zwei Wachtmeister hinweg nur einmal einen scheuen Blick zuwirft, streitet alles ab. Er habe eine „untergeordnete Rolle“ gespielt, sagt sein Verteidiger Detlev Binder, „er war nicht der treibende Part“. Aus früheren Aussagen wurde bekannt, dass Wilfried W. seiner Mitangeklagten die Schuld zuschiebt: Sie habe die Anwesenheit anderer Frauen nicht ertragen, er sich nicht wehren können. Allerdings ist W. vor 21 Jahren schon einmal verurteilt worden: weil er seine damalige Ehefrau „sklavenartig hielt“ und misshandelte. „Eine lange Zeit“, beschwichtigt Anwalt Binder, er sei seither ein „ganz anderer Mensch geworden“.

Das Gericht muss sich aber nun mit Taten aus den Jahren 2008 bis 2016 befassen. Mindestens bis März wird verhandelt. Möglich ist dann eine lebenslange Freiheitsstrafe – für Wilfried W. sogar eine anschließende Sicherungsverwahrung.