Stade. Verdächtiger Libanese (25) saß in U-Haft, wurde verurteilt, aber wieder freigelassen. Dann geschah die Tat

Dramatische Entwicklung im Fall des getöteten HSV-Investors Ernst Burmeister: Der Hauptverdächtige, der den Unternehmer und dessen Frau in deren Haus in Bützfleth im Kreis Stade mit einem Komplizen ausgeraubt und so schwer verletzt haben soll, dass der 79-Jährige starb, ist ein rechtskräftig verurteilter Straftäter. Führte eine Fehleinschätzung der Justiz dazu, dass der Mann überhaupt in Freiheit war und so die Möglichkeit hatte, die Burmeisters zu überfallen? Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft in Stade hätte der 25-Jährige längst im Gefängnis sitzen sollen. „Wäre er nicht auf freien Fuß gelassen worden, hätte es diesen Raubüberfall vermutlich nicht oder nicht mit diesen Folgen gegeben“, sagt Oberstaats­anwalt Kai Thomas Breas. Stattdessen ist der Tatverdächtige auf der Flucht.

Hintergrund des Falls ist ein kompliziertes Gerichtsverfahren. Der Deutschlibanese saß seit dem 23. Januar wegen schweren Raubüberfalls und Ladendiebstahls in U-Haft. Schließlich wurde der Mann am 17. August zu drei Jahren Haft verurteilt. Dem Urteil ging eine sogenannte Verständigung, landläufig „Deal“ genannt, voraus. Das heißt, dass im Prinzip alle Verfahrensbeteiligten, also Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagter mit Verteidigung, mit der Höhe der Strafe einverstanden sind.

Im Zuge der Urteilsverkündung hob das Gericht die Untersuchungshaft auf. „Das Gericht sah keine Gründe für die Aufrechterhaltung, da bei dem Beschuldigten keine Wiederholungs­gefahr bestand, er geständig war, einen festen Wohnsitz hatte und sich therapiewillig zeigte“, sagte Petra Baars, Sprecherin des Landgerichts Stade. Die U-Haft wurde bis zum Strafantritt aufgehoben. Der Überfall auf die Burmeisters ereignete sich nur drei Wochen später, am 9. September. Oberstaatsanwalt Breas wertet die Freilassung als Fehleinschätzung des Gerichts: „Der Mann ist Intensivtäter, schwer drogenabhängig und hat eine doppelte Staatsbürgerschaft – so einen Verurteilten lässt man nicht frei.“ Zu den Verdächtigen zählt die Staatsanwaltschaft auch einen nahen Verwandten (27) des Opfers – er soll den Tätern Einlass ins Haus vermittelt haben.

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