Auch am Ende von E-Mails verbleiben wir gerne „Herzlichst, Ihr ...“. Wir sind doch sonst nicht so freundlich!?

Die Ergebenheitsadressen fließen uns so sämig ans Ende unserer E-Mails, dass digitale Ausrutschunfälle nicht auszuschließen sind. „Herzlich, Ihr“, „Stets der Ihre“, „In steter Verbundenheit“ usw. usf. – beim Schreiben sind wir so freundlich, wie wir es im Leben nie waren. Die Grußformel, so antiquiert und vom Aussterben bedroht sie auch zu sein scheint, ist der letzte Ort der geschmeidigen Freundlichkeits­offensive mit Berechnung. „Captatio benevolentiae“ sagen Lateiner und Topakademiker, wenn sie das „Erheischen des Wohlwollens“ der anderen Partei meinen. Wir sagen: Wenn’s ums Schleimen geht, sind wir alle Könner.

Dabei ummäntelt der Schreib-Knigge doch ziemlich unzulänglich, welch grobe Absichten sich hinter schmeichlerischen Worten verstecken. Sie ist ein ewiges Rätsel, diese Überzeugungskraft der seit Jahrhunderten vorformulierten Buchstabenfolgen, deren Sinn sowohl Sender als auch Empfänger immer vollkommen klar ist. Aber man manipuliert halt gerne, und man lässt sich ebenso gerne manipulieren, weil sprachlicher Liebreiz, scheint’s, wie ein Schalmeienklang in unseren Ohren ist.

Dabei wäre es doch viel ehrlicher, mal verbal aufs Faktisch-Reelle abzurüsten und den ganzen grässlichen Gruß-Kram zu lassen. „Denken Sie gefälligst gut von mir, Gruß“, „Hab mich weiter recht gern, Digger, dann geht’s mir fein“, „Kommen Sie umgehend meinem in den vorigen Zeilen formulierten Anliegen nach, bis bald“ oder „So weit, so gut, jetzt reicht es auch mal wieder mit unserer Korrespondenz, bis nicht allzu bald“ – geht doch auch ohne Schmelz und Tand. Oder?

Ganz herzliche Grüße!