Tja, gute Frage. Lagerfeuer, Kirchentag, Miesnuschel ... Mein Geschmack ist einfach nicht nobelpreiskompatibel

Hektisch im Keller durch die Kartons mit den Vinylschallplatten gekramt: Bruce Springsteen, Crosby, Stills, Nash & Neil Young, aber kein Bob Dylan. Es ist wie jedes Jahr. Kaum ist der Literaturnobelpreisträger benannt, folgt der Tiefschlag beim Blick in die eigenen Kulturkisten: Mo Yan (2012), Alice Munro (2013), Patrick Modiano (2014), Svetlana Alexijewitsch (2015) – alle nicht dabei. Also ab ins Fachgeschäft, Dylan kaufen. Und den Dual–Plattenspieler abstauben. Falls Besuch kommt. Man muss ja nicht alles gelesen oder gehört haben, was man auf dem Wohnzimmertisch drapiert.

Bob Dylan also, der alte Mies­nuschel, globaler Hohepriester des verwirrt Depressiven und natürlich gegen das Establishment. Toll. Ist Trump aber auch. Zugegeben, es herrscht intellektueller Mangelschmerz, weil mein Geschmack wieder nicht nobelpreiskompatibel ist. Aber wenn ich gequältes Quietschen hören will, kann ich mir auch mit dem Hammer auf den Daumen dreschen. Ist es Zufall, dass die wenigen Dylan-Fans im Bekanntenkreis weder durch Körperspannung noch als Feierbiester auffallen? Mal ehrlich: Wenn Thomas Oppermann einen Nobelpreis bejubelt, dann kann doch was nicht stimmen.

„Papa, wer ist dieser Bob Dylan?“, fragen die Kinder. Tja, was sagt man da? „Blowin’ in the wind“, antworte ich, „Lagerfeuer, Kirchentag, how many
roads und so.“ Soll ich zugeben, dass ich die Texte von Sven Regener hübscher finde, Udo Jürgens fröhlicher und K.I.Z. provokanter? Udo Lindenberg kann viel besser nuscheln und obendrein malen. Zudem hätte Suze Rotolo den Preis posthum bekommen müssen, weil sie für Dylans Anfangserfolge so wichtig war wie Maria Magdalena für Jesus.

Mal ehrlich: Das wahre Ziel der Nobelpreis-Jury ist es doch, jedes Jahr wieder leise Enttäuschung auf die Gesichter von Philipp Roth oder Haruki Murakami zu malen. Ich sollte deren Bücher aus dem Regal verbannen. Vielleicht sind sie dann mal an der Reihe.