Berlin.

Kinder verboten: Die indische Fluggesellschaft IndiGo verbannt Jungen und Mädchen aus einem Teil der Flugzeuge, das Unternehmen richtet kinderfreie Sitzreihen ein. Wer mit IndiGo fliegt, ist sicher vor quengelnden Babys: In den „Premium-Zonen“, für die Aufschläge fällig werden, gibt es keinen Platz für Jungen oder Mädchen unter zwölf Jahren. Statt eines Aufschreis der Fluggäste, zu denen ja auch Eltern zählen, wird die Fluggesellschaft gefeiert. „Ich wäre absolut bereit, mehr zu bezahlen, nur damit ich nicht sechs Stunden lang neben einem schreienden Kind sitzen muss“, so lesen sich die Kommentare auf Twitter.

Eine andere asiatische Fluggesellschaft, Malaysia Airlines, hat bereits vor vier Jahren kinderfreie Zonen eingeführt – anfangs in der ersten Klasse. Das Argument: Wer viel Geld für sein Ticket zahlt, hat ein Anrecht auf Ruhe über den Wolken. Später weitete sie das Angebot aus – auch im Oberdeck der A380-Maschinen galten kinderfreie Zonen. Die Billiglinie Air Asia X zog nach, schob Familien in den hinteren Flugzeugteil ab. Abgesperrte Reihen – manche nennen das Katzentisch.

Die indische Fluglinie IndiGo ist das aktuellste Beispiel eines Trends, der auch in Deutschland spürbar ist. Kinder scheinen mehr und mehr zum Störfaktor zu werden, wenn sich Erwachsene amüsieren wollen. Immer mehr gastronomische Betriebe führen kinderfreie Zonen ein oder verweisen Familien sogar ganz vom Gelände. Etwa in Düsseldorf: Dort betreibt Patrick Weiß das „Sonnendeck“, einen Biergarten am Rheinufer.

Hotel in Brandenburg nimmt nur Gäste ab 16 Jahre

Vor etwa einem Jahr hatte der 44-Jährige genug. Er stellte ein Schild auf. „Ruhebereich“ steht darauf, Kinder und Hunde haben dort nichts verloren. „Es gibt immer mehr Eltern, die sich einfach nicht um ihre Kinder kümmern“, so Weiß. „Oft lassen sie ihre Kinder völlig unbeaufsichtigt. Die Kleinen schmeißen dann ihre volle Windel in die Ecke oder bauen eine Matschburg auf dem Tisch. Das geht nicht, meine Gäste wollen ihren Feierabend in Ruhe bei mir verbringen.“ Zehn bis zwanzig Prozent der heutigen Eltern, sagt der Wirt, „kotzen mich extremst an“.

Der Düsseldorfer steht nicht alleine mit seiner Meinung. Fluggesellschaften, Bars und Cafés, Hotels – es gibt unzählige Beispiele für Betriebe, deren erwachsene Kunden unter sich bleiben wollen. Das Internetportal „urlaub-ohne-kinder.info“ listet weltweit 713 kinderfreie Hotels auf, 40 davon zwischen Nord- und Bodensee.

Doch wer keine Familien als Kunden will, eckt an. Im November 2015 entschied das Management des Hotels „Esplanade“ im brandenburgischen Bad Saarow, nur noch Gäste ab 16 Jahren aufzunehmen. Es habe immer wieder Beschwerden über Kinder im Wellnessbereich gegeben, heißt es in dem Hotel. Also verschenkte das „Esplanade“ Kinderstühle und Beistellbetten und informierte die Stammgäste über das neue Konzept. Wütende Eltern hätten daraufhin ziemlich fiese Briefe und E-Mails geschrieben. Eine Erfahrung, die auch andere Hoteliers gemacht haben. Der Begriff „Erwachsenenhotel“ gelte in Deutschland als politisch inkorrekt, schreiben die Betreiber von „urlaub-ohne-kinder.info“ – im Gegensatz zu Begriffen wie „Familienhotel“ oder „familienfreundlich“.

Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sagt, kinderfreie Hotels seien eine Nische. „Wir erleben insgesamt eine Individualisierung des Hotelangebots.“ Wer am Markt bestehen wolle, müsse sich im Verdrängungswettbewerb positionieren.

Der Kinderschutzbund ist alarmiert. „Deutschland ist kinderentwöhnt“, klagt Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth. Das habe mit der demografischen Entwicklung zu tun: Kinder seien nicht mehr so präsent in Alltag und Straßenbild wie früher. „Es heißt immer, Kinder sind die Zukunft“, empört sich Honkanen-Schoberth. „Andererseits signalisiert man ihnen, dass sie stören.“ Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hält Angebote mit einem Mindestalter von 16 Jahren ebenfalls für problematisch.

Den Vorwurf, kinderfeindlich zu sein, weisen die Betriebe zurück. Die Fluggesellschaft IndiGo teilt mit, sie wolle durch das Kinderverbot eine „Ruhezone für Geschäftsreisende schaffen“, die während des Fluges ihrer Arbeit nachgehen wollen. Und Patrick Weiß, der Biergartenbetreiber aus Düsseldorf, fühlt sich bestärkt: „Ich habe 500 Mails bekommen – 99 Prozent waren positiv.“