Bochum.

Es sind Bilder, wie man sie sonst nur in Katastrophenfilmen sieht. Mitten in der Nacht zu Freitag bricht in der Bochumer Uniklinik Bergmannsheil ein Feuer aus. Lichterloh schlagen die Flammen aus dem Gebäude, Menschen flüchten sich auf die Balkone. Am Ende sind zwei Patienten tot, 15 schwer verletzt. Und dennoch sprechen Feuerwehrleute von „einem kleinen Wunder“. „Schrecklich, was da passiert ist“, sagt einer. „Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können.“

Als die Sonne aufgeht und der Rauch sich verzogen hat, da wird das Ausmaß der Katastrophe erahnbar. Der Dachstuhl des großen Gebäudes ist weitgehend zerstört, Fenster sind herausgedrückt, Jalousien in der Hitze geschmolzen. Löschwasser läuft an der Fassade herunter. An einem Balkongitter baumelt ein Seil aus aneinandergeknoteten Bettlaken.

Kurz nach halb drei ist es, da geht bei der Feuerwehr in Bochum der erste Alarm ein. Die Brandmeldeanlage im sechsten Stock des Bergmannsheil hat angeschlagen. Nur sechs Minuten später sind die ersten Retter vor Ort. Aber da, sagt Feuerwehr-Einsatzleiter Gottfried Wingler-Scholz später, sei der Brand schon „ viel weiter fortgeschritten, als es zu erwarten gewesen wäre.“ Es brennt im – glücklicherweise menschenleeren – siebten und achten Stock, es brennt im Dachstuhl. „Etwas Ähnliches habe ich noch nie erlebt“, sagt ein Feuerwehrmann.

An mehreren Fenster stehen Menschen, hinter ihnen lodern bereits die Flammen. Dirk Stein ist einer von ihnen, der sich auf die Balkone geflüchtet hat. Wegen einer Beinverletzung liegt er in der Klinik, kann nicht laufen. Er riecht Rauch, hievt sich in seinen Rollstuhl, rettet sich mit zwei anderen Kranken ins Freie. Zwei Stunden müssen sie dort ausharren. „Zwei Stunden voller Angst“, sagt Stein. Dann werden sie gerettet.

Die Patientin soll das Feuer selbst gelegt haben

Unter Atemschutz stürmen Feuerwehrleute in das brennende Geschoss. Im sechsten Stock des Gebäudes liegen Patienten, die nach einem chirurgischen Eingriff von einem Krankenhauskeim befallen wurden. Die meisten von ihnen können laufen, einige sind komplett bewegungsunfähig.

Das Krankenhauspersonal trägt mehrere von ihnen auf Matratzen in untere Geschosse, der Rest wird von der Feuerwehr gerettet. Genau wie die querschnittsgelähmten und im Wachkoma liegenden Patienten aus den tieferliegenden Stockwerken. „Beherzt“, nennt Wingler-Scholz das Verhalten des Pflegepersonals am Morgen. Von 180 betroffenen Patienten werden etwa 100 kurzfristig entlassen und 80 intern verlegt.

„Nach 45 Minuten war das Gebäude evakuiert“, zieht der Einsatzleiter am Morgen Bilanz und zählt 126 gerettete Patienten. Vier von ihnen sind so schwer verletzt, dass sie mit Hubschraubern in Spezialkliniken geflogen werden müssen. Für zwei Patienten kommt jede Hilfe zu spät. In dem Krankenzimmer, in dem der Brand nach ersten Ermittlungen ausgebrochen ist, stirbt eine Frau (69). Im Zimmer nebenan kommt ein Mann (41) in den Flammen um. Nach Informationen dieser Zeitung trug er einen sogenannten externen Fixateur, der eingesetzt wird, um Knochenteile zu stabilisieren, dadurch oft aber keinen Bewegungsspielraum lässt. Weitaus länger als die Evakuierung dauert die Brandbekämpfung. Unterm Dach liegt ein Matratzenlager der Klinik, das sich offenbar schnell entzündet hat. Die Klinikleitung betont derweil, dass das Haus nach wie vor einsatzfähig sei. Nicht das Krankenhaus habe gebrannt, sondern nur ein Gebäude. „Die Notfallversorgung ist nicht eingeschränkt“, versichert der Direktors der Klinik, Prof. Thomas Schildhauer. Wichtige Bereiche wie Operationssäle und Intensivstationen seien nicht betroffen.

Nur die Essenszubereitung für die Patienten macht Probleme. Durch das Löschwasser ist die unten liegende Krankenhausküche stark in Mitleidenschaft gezogen worden. „Da kann man jetzt Boot fahren“, sagt ein Feuerwehrmann. Es gebe aber eine Ersatzküche, sagt Schildhauer

Unter den Schaulustigen, die sich vor dem Bergmannsheil versammelt haben, machen den ganzen Tag Gerüchte über die Brandursache die Runde. Manche vermuten „heimliches Rauchen im Bett“. Andere hatten eine brennende Frau gesehen. Die Polizei sagt am Abend, die tote Patientin könnte das Feuer selber gelegt haben. „Suizidale Absichten“, sagt ein Sprecher, „sind nicht auszuschließen“.