Horst Seehofer und sein Angst-Deutschland. Vom Traum einer nicht unmöglichen Kanzlerschaft

Wir sind zwei Deutschlands: Im Merkel-Land läuft’s ruckelig, nie perfekt, aber die Probleme sind halbwegs lösbar, verglichen mit dem Rest der Welt. In Seehofers Angstland dagegen herrscht düsterstes Mordor, wo nur der Untergang sicher ist. „Perception is reality“, predigt der Berliner AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski – Wahrnehmung ist Realität. Je eifriger die Deutschen fürchten, desto weniger Macht hat die Vernunft.

Gut so, mag Horst Seehofer denken. Warum? Ganz einfach. Nach Lehre der Anarchisten begünstigt gefühlte Verunsicherung die Chance auf Machtwechsel. Nur im Ausnahmezustand hat eine Kleinpartei die Chance, in Berlin einzumarschieren. Daher hat Horst Seehofer vergangene Woche gnadenlos den Vorwahlkampf eröffnet. Frieden ist für Ferien. Merkel kann weg, da ist der Ober-Bayer einig mit AfD, Putin, Erdogan und Stegner. Größenwahn? Nein, kaltes Kalkül. Nach den verunglückten Anläufen von Strauß und Stoiber wittert der hochflexible In­stinktpolitiker Seehofer eine historische Chance, und dabei denkt er nicht ans Bundesinnenministerium unter einer protestantischen Ostdeutschen.

Nach der zynischen Logik der Machtpolitik ist Zuversicht der größte Feind des politischen Wechsels. Deswegen muss Unruhe geschürt werden. Nein, es gibt kein konkretes Hotte-Komplott, aber einen Bereich des Nicht-Unmöglichen. Eiskalt gedacht: Die Kanzlerschaft Seehofers ist so wahrscheinlich wie ein Terroranschlag in Deutschland, verübt von jemandem, der sich im Herbst 2015 fälschlicherweise als Syrer ausgab. Und dann platzt noch das Abkommen mit Erdogan? Ist der Ober-Bayer so naiv, so loyal, so bescheiden, diese Option außer Acht zu lassen? Da hält man das Land und seine Kanzlerin doch semantisch gern in der Ausnahmesituation – man weiß ja nie.

Weil Angela Merkel eine andere Realität verteidigt, wird sie, Stand heute, 2017 noch einmal antreten. Diesmal geht es nicht gegen die SPD, sondern gegen Seehofers Angstland.