Aus gegebenem Anlass einige Ratschläge für genervte Schutzgeldzahler, Ehegatten und Bahnhofsplaner

Als Leserin haben mich vorige Woche zwei Nachrichten elektrisiert, die bei oberflächlicher Betrachtung nichts miteinander zu tun haben, bei genauerem Hinsehen aber im Zusammenhang stehen. Fall eins: Zahlen Sie Schutzgeld? Dann wird es Sie interessieren, dass die Beseitigung von Schutzgelderpressern bei Gerichten auf ein gewisses Verständnis stößt. Das Hamburger Landgericht sprach vorige Woche den Wirt des Lokals Casa Alfredo im Stadtteil St. Georg frei, der seinen mit einer Waffe fuchtelnden Schutzgelderpresser erschossen und die Leiche im Boden des Restaurants einbetoniert hatte. Das Gericht befand, die Tat sei durch Notwehr gerechtfertigt, beanstandete jedoch die „unwürdige“ Bestattung der Leiche, die gerade für Angehörige eine unzumutbare Belastung sei.

Ich darf mir gar nicht vorstellen, in wie vielen Haushalten jetzt Zementsäcke angeschafft und Mischmaschinen angeworfen werden. Nicht nur da, wo Schutzgelder erpresst werden. Viele Menschen befinden sich ja gefühlt in einer täglichen Notwehrsituation und haben Mordsfantasien. Der Chef, Ehemann oder Ehefrau, Schwiegereltern, Konkurrenten, Vermieter – die Liste der möglichen Opfer ist nach oben offen.

Allerdings ergeben sich ein paar praktische Probleme. Besitzer von Kellern oder Garagen haben ja gerade auf Empfehlung des Innenministers Vorräte für den Katastrophenschutz angeschafft. Wo soll man jetzt neben all den Saft-Tetrapaks, Mineralwasser-Kästen, Knäckebrot- und Nudel-Großpackungen noch Platz zum Einbetonieren haben? Schadet das womöglich den Lebensmitteln? Interessierte sollten auch bedenken, dass für „Notwehr“ irgendwie die Gefahr eines Angriffs gedroht haben muss. Das kommt im Familienkreis wahrscheinlich öfter vor als im Büro. Ehefrauen, die den Bautätigkeiten ihres Mannes bisher desinteressiert gegenüberstanden, sollten sich ein paar Grundkenntnisse im Betonmischen aneignen, etwa durch Ratgeber wie „Einbetonieren – leicht gemacht“. Sollten Sie als Ehepartner schon einen Verdacht haben, ist nach Rufen wie „Kannst du mal im Keller nach der Heizung sehen?“ jetzt besondere Vorsicht angebracht. Auch Chefs und Vermieter sollten fremde Keller künftig besser meiden.

Im Fall Bahnhof Bad Bentheim – das ist die zweite Nachricht – hat man es mit dem Betonieren etwas übertrieben. In dem 15.000-Einwohner-Ort nahe Nordhorn wurde der Bahnsteig um circa 40 Zentimeter erhöht, um Rollstuhlfahrern den Zugeinstieg zu erleichtern. Deshalb lassen sich jetzt die Bahnhofstüren nicht mehr öffnen. Reisende müssen über einen Stuhl durchs Fenster auf den Bahnsteig klettern oder ums Haus herumgehen. „Das ist das Anfang vom Ende“, würde Beatrix von Storch (AfD, Originalzitat) orakeln, die zwar nach der Wahl in Meck-Pomm „in der deutschen Parteienlandschaft angekommen“ sein will, aber in der Muttersprache offenbar noch nicht so richtig.

Grund der Bahnhofs-Realsatire: Für Gleisbett- und Bahnsteigerhöhung ist die Deutsche Bahn zuständig, während der Bahnhof noch der Stadt gehört. Sie plant einen Umbau des historischen Gebäudes. Der kann aber erst beginnen, wenn die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen Fördermittel freigegeben hat, erklärt der Bürgermeister, der ausgerechnet Volker Pannen heißt.

Bad Bentheim muss für die Fehlplanung medial viel Häme einstecken. Aber halt: Eröffnet die Situation nicht auch Chancen? Unter neu erhöhten Bahnhofshallen fänden gleich mehrere Schutzgelderpresser Platz (vorausgesetzt, dass Bad Bentheim hier Probleme hat). Vor allem könnte der kleine Luftkurort in die exklusive Liste jener Bahnhöfe aufsteigen, die kein Mensch kannte und die plötzlich in den Fokus der Weltpresse rückten. Wie etwa Bad Kleinen, wo 1993 der Terrorist Wolfgang Grams erschossen wurde. Oder Uelzen, dessen Bahnhof Friedensreich Hundertwasser gestaltete. Oder Bebra, bis zur Wiedervereinigung der wichtigste Knotenbahnhof für Interzonenzüge.

Mein Rat an Bad Bentheim: Das Alleinstellungsmerkmal bloß nicht so schnell aufgeben und den Bahnhof so lassen. Die Barrierefreiheit auf dem Bahnsteig ist ja gegeben.