Dresden.

Es war ein Prozess, der ein Jahr nach der Entführung und dem gewaltsamen Tod der 17-jährigen Anneli-Marie noch einmal an den letzten Kräften der Opferfamilie zehrte. „Wir haben Anspruch auf Rache und Sühne, Genugtuung und Gerechtigkeit“, hatte Annelis Vater Uwe R. der Kammer am Freitag noch mit auf den Weg in die Schlussberatung gegeben. Jetzt hat das Landgericht Dresden die beiden Angeklagten wegen Mordes und erpresserischen Menschenraubs verurteilt. Der Hauptangeklagte Markus B. (40) erhielt eine lebenslange Haftstrafe. Bei ihm wurde eine besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Sein Komplize Norbert K. (62) soll für achteinhalb Jahre ins Gefängnis. Der Staatsanwalt hatte für ihn 15 Jahre gefordert. Er wurde des Mordes durch Unterlassung für schuldig befunden, weil er die Schülerin hätte retten können, sagte Richterin Birgit Wiegand: „Der Schuldgehalt ist geringer als bei einem aktiven Tun.“ Die Tat des Markus B. sei hier als Vergleichsmaßstab anzulegen. Außerdem habe Norbert K. für Aufklärung gesorgt. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden. Die beiden Männer nahmen den Schuldspruch regungslos entgegen, sie sahen weder einander noch Annelis Eltern an. Äußerlich gefasst nahm auch Annelis Familie das Urteil auf. Öffentlich wollten sie sich nicht äußern.

Hauptangeklagter schwieg im Prozess

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatten die Täter Anneli-Marie am 13. August 2015 unweit ihres Elternhauses in Robschütz bei Meißen ins Auto gezerrt und verschleppt. Die Gymnasiastin war mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Von ihrem Vater, einem erfolgreichen Immobilienunternehmer, verlangten sie 1,2 Millionen Euro Lösegeld – übermittelt per Onlinebanking. Daran jedoch scheiterte die nach Einschätzung der Ermittler „dilettantisch geplante“ Erpressung.

Darüber geredet hat nur der 62-jährige K. nach seiner Festnahme am 17. August 2015. Ihm zufolge hat B. die Entführung geplant und aus Angst vor Entdeckung am nächsten Tag auch Annelie-Marie getötet. Die verscharrte nackte Leiche wurde drei Tage danach auf dem Anwesen von B.s Schwiegermutter gefunden – um den Hals zwei Kabelbinder und einen Spanngurt. K. versicherte auch in einer Erklärung vor Gericht, von der Entführung überrascht worden zu sein, mit dem Mord nichts zu tun zu haben und B. davon nicht habe abhalten können.

Es war ein höchst emotionaler Prozess. „Rede endlich“, hatte Vater Uwe R. den Angeklagten B. schon in den ersten Verhandlungstagen aufgefordert. „Beende diese Folter für uns!“ Herr B. blieb bei seinem Schweigen. Stattdessen sprach sein Anwalt für ihn. „Herr B. ist sicherlich kein netter Mensch“, sagte er im Plädoyer. Er habe sein Leben auf Lügen und Betrug aufgebaut. Ein Mörder müsse er deswegen nicht sein. Gemäß dem Grundsatz „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten“ könne keiner der Männer wegen Mordes verurteilt werden, argumentierte er. Auch begutachten lassen wollte B. sich nicht. Dafür zeichneten Zeugen ein Bild von Leben und Charakter des aus Pforzheim (Baden-Württemberg) stammenden Kochs mit krimineller Vergangenheit und Hafterfahrung. Der Vater zweier kleiner Söhne bog sich die Realität zurecht: Vermögen, Studium, noble Herkunft – all das war erfunden. Noch kurz vor der Tat kaufte er ein neues Haus. Als die Schulden drückten, musste Geld her. Ein früheres Gutachten bescheinigte ihm durch Großspurigkeit verdecktes Versagen, gestörtes Selbstwertgefühl und Kaltblütigkeit.

Unter Tränen hatte Uwe R. vergangene Woche das Wesen seiner Tochter geschildert. „Wissen Sie, wen Sie umgebracht haben?“, fragte er die Angeklagten. Die 17-Jährige war lebensfroh und beliebt, spielte Gitarre und Klavier. Als „Ausgeburten der Hölle“ bezeichnete er die beiden Täter. Die „beiden Nichtsnutze“ hätten die „Perle der ganzen Familie“ zerstört.