Vatikanstadt.

Die Wege von Papst Franziskus und Mutter Teresa haben sich zu Lebzeiten nur einmal gekreuzt, vor mehr als 20 Jahren in Rom. Er habe spontan ihre Kraft und Furchtlosigkeit bewundert, erinnerte er sich später. Natürlich hätte er sich damals nicht träumen lassen, die Ordensschwester einmal heiligzusprechen. Nun hat er es getan. Den 120.000 Pilgern auf dem Petersplatz sagte er am Sonntag, warum: „Sie beugte sich über die Erschöpften, die man am Straßenrand sterben ließ, weil sie die Würde erkannte, die Gott ihnen verliehen hatte.“ Das ist das zentrale Thema des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das Franziskus gewollt hat. Die Heiligsprechung von Mutter Teresa ist dabei das wichtigste Ereignis.

An die „Peripherie der Gesellschaft gehen“ ist die zentrale Mission im Pontifikat von Franziskus. Mutter Teresa, die 1910 als Tochter albanischer Katholiken im heutigen Skopje in Mazedonien geboren wurde, hatte 1950 den Orden der Missionarinnen der Nächstenliebe gegründet und sich in ihren Ordenshäusern um Arme und Kranke gekümmert.

Mutter Teresas Feiertag wird der 5. September sein

Als Ordensschwester lebte Mutter Teresa in Indien, nahm auch die indische Staatsbürgerschaft an. Als Katholikin versorgte sie Muslime und Hindus. Viele der Pilger, die am Sonntag zum Petersdom gekommen waren, gehören diesen Religionen an. Aber es war bei dieser Zeremonie schlicht egal, dass nicht alle Anwesenden in der Lage waren, einen Rosenkranz zu beten und alle Rituale der katholischen Zeremonie zu verstehen. „Es spielt keine Rolle. Mutter Teresa ist ein Vorbild der Nächstenliebe und des Friedens für alle Religionen der Welt“, sagte einer der Pilger, Singh Dalbir, Präsident einer Sikh-Gemeinde aus dem norditalienischen Dorf Flor nahe der Schweizer Grenze. 1979 bekam sie dafür den Friedensnobelpreis.

Rund um den Petersplatz waren 4000 Polizisten und schwer bewaffnete Soldaten im Einsatz. Dennoch kamen weniger italienische Pilger als sonst, offensichtlich aus Angst vor terroristischen Anschlägen. Zu den Ehrengästen zählten Königin Sofia von Spanien, die Katholikin ist, sowie der indische Premierminister Narendra Modi, der Hindu ist, und andere Religionsführer. Der albanische Präsident Hashim Thaci nahm gemeinsam mit Regierungschef Isa Mustafa an den Feierlichkeiten teil. Es war typisch für Franziskus, dass er trotz des hohen Besuches an die Mission der Ordensschwester erinnerte und mahnte: „Sie erhob ihre Stimme vor den Mächtigen der Welt, damit sie angesichts der Verbrechen der Armut, die sie selbst geschaffen hatten, ihre Schuld erkennen sollten.“

Mutter Teresa wurde schon zu Lebzeiten als „Engel der Armen“, „Engel der Gosse“ oder schlicht als Heilige verehrt. Um aber in der katholischen Kirche als Heilige Vorbild für alle Katholiken zu werden, musste die Missionarin die komplizierten Instanzen zur Heiligsprechung durchlaufen. Kandidaten müssen mindestens fünf Jahre verstorben sein und ein Wunder vollbracht haben, bevor die zuständige Kommission die Arbeit aufnehmen darf.

Bei Mutter Teresa wurde die Prozedur beschleunigt. Papst Johannes Paul II. begann das Verfahren zur Seligsprechung bereits zwei Jahre nach ihrem Tod 1997. Er sprach sie 2003 selig, Grundlage dafür war die Wunderheilung der Inderin Monica Besra. 2015 winkte Papst Franziskus das für die Heiligsprechung nötige zweite Wunder durch: Die unerklärliche Heilung eines Brasilianers.

Der Papst sagte auch, man werde die Heilige Teresa weiter „Mutter“ rufen. Für die Katholiken schließt das Verwechslungen aus – es gibt ja schon eine Heilige Teresa von Avila, die im 16. Jahrhundert lebte. Der Feiertag für Mutter Teresa wird der 5. September sein, ihr Todestag. Es freute den albanischen Familienvater Roland, der mit Frau und Kindern zur Heiligsprechung nach Rom gekommen war: „Die Figur der Mutter ist in unserer Kultur sehr wichtig, sie drückt unsere Gastfreundschaft und die Fürsorge unserer Frauen aus“, sagte er.

Mit Stolz haben die Balkanländer auf die Heiligsprechung von Mutter Teresa reagiert. „Unser Volk hat der Welt eine liebenswerte Mutter für alle Menschen geschenkt“, sagte Staatspräsident Thaci in Rom.

Auch in der albanischen Hauptstadt Tirana wurde das Ereignis gefeiert. Die Oper lud zu einem Konzert auf dem Mutter-Teresa-Platz ein – die Wohltäterin hatte ihre Jugend im heutigen Albanien verbracht. Und Albaniens Außenminister Ditmir Bushati lobte auf Facebook: „Kleine Nation – große Heilige.“