In seinem Roman „Geronimo“ erzählt Leon de Winter, wie das Ende des Terroristen wirklich war

Der Tod des über viele Jahre meistgesuchten Terroristen der Welt, des Al-Qaida-Anführers Osama Bin Laden, ist in den Geschichtsbüchern verewigt. Am 2. Mai 2011 stürmte ein Spezialkommando sein Anwesen in Pakistan. Wie inzwischen bei jedem Ereignis von Interesse schießen aber auch hier andere Theorien ins Kraut, glaubhafte und weniger glaubhafte. Der holländische Schriftsteller Leon de Winter stellt in seinem neuen Roman „Geronimo“ (Diogenes) schreibend und mit einiger Raffinesse die Weltgeschichte auf den Kopf. Die offizielle Version für die Geschichtsbücher tastet er nicht an, allerdings erzählt er eine verdeckte, eine verzweigte Geschichte hinter der Geschichte. Sie fesselt natürlich allein schon durch die historische Tapete.

Ein junger Mann mit Namen Tom gerät in die Wirren der Terrorabwehr. Als Teil einer Spezialeinheit ist er international viel in Krisengebieten unterwegs. Das Schicksal will es so, dass er am entscheidenden Tag nicht bei Frau und Kind in London sein kann. An jenem Tag gehen Bomben hoch. Die Tochter, schwer verletzt, stirbt im Laufe des Folgejahres. Die Schuldgefühle zerrütten die Ehe und überschatten bis auf Weiteres Toms Leben. Auf der Suche nach Heilung übernimmt er Verantwortung für ein 13-jähriges Waisenmädchen in Pakistan. Er bringt ihm die Schönheit der Pianofolgen Johann Sebastian Bachs nahe, die für es unter dem Regime der Taliban zum Verhängnis werden sollen. Toms Freunde führen die Mission aus, den meistgesuchten Terroristen der Welt zu erledigen – doch wie Tom erfährt, haben sie ihn mithilfe eines ausgeklügelten Plans am Leben gelassen und der Welt ein Schauspiel vorgeführt. Ein irrwitziger Gedanke.

De Winter hat intensiv recherchiert, er folgt Osama Bin Laden ins pakistanische Abbottabad, wo er sich versteckt hielt, abwechselnd mit seinen drei Ehefrauen unterschiedlichen Alters schlief und sich häufig nur des Nachts ins Freie wagte. Aber auch einer wie er geht mal Zigaretten holen. Geradezu furchteinflößend normal erscheint er in diesen Zeilen. Natürlich tauscht er geheime Informationen aus. Und begegnet eines Tages seiner Nemesis.

Die Verschränkung des Privaten mit dem Politischen gelingt de Winter gekonnt. Die Literatur hält mehr Trost im Angesicht der Weltgeschichte bereit als die Realität. Und so lauert hier neben dem Unglück immer auch Rettung. Für Tom ist es das Waisenmädchen, für dieses werden ein Junge und seine Mutter vorübergehend zu Helfern, Toms Ex-Frau findet ein neues Glück. Und die Weltgeschichte rauscht über alle hinweg. Lustvoll triggert de Winter mit seiner abenteuerlichen Geschichte neue, wilde Theorien. Vor allem die Rolle von Bin Ladens Geburtsland Saudi-Arabien bleibt dubios. Dennoch ist es ein Buch, das sich als Schuld-und-Sühne-Geschichte genauso lesen lässt wie als spannendes Historienpanorama. Der Einzelne im Auge der Weltgeschichte – ein Konstrukt, von dem Leon de Winter mit viel Fantasie zu erzählen versteht.

Leon de Winter 19.9., 21 Uhr, „Cap San Diego“, Tickets zu 14 Euro unter T. 30 30 98 98