Hamburg. Rund 700 Teilnehmer bei der Informationsveranstaltung, die immer wieder durch Proteste und Zwischenrufe unterbrochen wird.

Begleitet von Protesten und Zwischenrufen informiert der rot-grüne Senat am Donnerstagabend zum ersten Mal die Anwohner über Einschränkungen während der bevorstehenden Gipfeltreffen in Hamburg. Die Reden, die die Stadt auch in einem Live-Stream überträgt, werden immer wieder unterbrochen von höhnischem Gelächter und Beschimpfungen. Nach Senatsangaben sind rund 700 Teilnehmer zu der Veranstaltung in die Hamburger Messehalle gekommen.

„Auch die kritischen Stimmen werden in Hamburg eine Rolle spielen“, versprach der Staatsrat der Senatskanzlei, Wolfgang Schmidt. Schließlich rannte ein Mann zum Podium, setzte sich zu den Rednern und hielt ein Schild „Kein G20“ hoch. „Gipfel absagen“, forderten einige Anhänger der links-alternativen Szene lautstark. Die Veranstaltung geht nur schleppend voran.

Welche Maßnahmen auf die Hamburger zukommen:

Es wird der größte Polizeieinsatz des Jahres: Mehr als 6000 Polizisten sollen das Treffen der 57 OSZE-Außenminister am 8. und 9. Dezember in den Hamburger Messehallen sichern. Die linke Szene ruft zu massiven Gegendemonstrationen auf.

Bereits seit mehreren Wochen sind in insgesamt zwölf Hotels in der City die hochpreisigen Zimmer und Suiten geblockt – darunter das Hotel Vier Jahreszeiten, das Hotel Atlantic, das Park Hyatt, das Steigenberger und das The Westin Hamburg in der Elbphilharmonie. Dort sollen vor allem die stärker gefährdeten Außenminister und Delegationen der USA, Russland, der Türkei und weiterer Nationen einquartiert werden. „Die Wege zu den Messehallen sollen für sie kurz sein“, heißt es aus Sicherheitskreisen. Die Außenminister bringen mehr als 1000 eigene Sicherheitsleute mit.

Am 6. und 7. Dezember treffen die ersten Staatsgäste ein und werden gestaffelt zu ihren Hotels „geschleust“. Neben eigener Fahrzeugeskorte blockieren Kradfahrer der Hamburger Polizei kurzfristig die Kreuzungen auf dem Weg, rote Ampeln gelten für die Autokolonnen nicht. Auf dieselbe Art werden die Außenminister am 8. Dezember voraussichtlich gegen 9 Uhr morgens zu den Messehallen gebracht. „Das soll eine Minutensache ohne längere Sperrungen werden“, sagt ein Beamter.

Polizei-Kontrollpunkte vor den Hotels

Ebenfalls Tage vor dem Gipfel werden die Messehallen von Experten durchleuchtet, die Gäste aller betroffenen Hotels von in- und ausländischen Diensten überprüft. Für die Sicherheit in den Hotels sind die Gaststaaten zuständig, in Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz. Vor den Hotels baut die Hamburger Polizei Kontrollpunkte auf, dabei kann es zu Ausweiskontrollen kommen. Weniger heikle Staatsgäste wohnen auch in Hotels am Stadtrand sowie außerhalb Hamburgs und fahren im regulären Verkehr zum Tagungsort.

„Wir werden die Beeinträchtigungen für die Hamburger so gering wie möglich halten“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) dem Abendblatt. Die U-Bahn-Haltestelle Rathaus wird am 8. Dezember komplett gesperrt, der Weihnachtsmarkt auf dem Rathausmarkt soll aber wie geplant stattfinden. Die Sicherheitszone im Karolinenviertel wird zu Beginn des Treffens massiv abgesichert, die Geschäfte und Gastronomie im Viertel sollen geöffnet bleiben.

Kosten von voraussichtlich mehr als 50 Millionen Euro

Alle beteiligten Sicherheitsbehörden haben zusätzliche Zivilfahnder im Einsatz, alle Sondereinheiten der Polizei werden bereitstehen. Das Mobile Einsatzkommando (MEK) wird für die Dauer des Treffens an einem geheimen Ort in der Innenstadt stationiert, um im Notfall schnell eingreifen zu können. Die Hamburger Polizei hat bereits mehrere Tausend weitere Polizeikräfte aus den 15 übrigen Bundesländern angefordert, darunter weitere Spezialeinheiten. Weder an den Messehallen noch an den Hotels sollen Scharfschützen auf den Dächern postiert werden, auch sollen keine Gullydeckel verplombt werden. Die Ausrichtung des Gipfels wird Hamburg auch aufgrund der enormen Sicherheitsmaßnahmen voraussichtlich weit mehr als 50 Millionen Euro kosten.

Dem Sicherheitskonzept liegt eine relativ ruhige Lage an Gegenprotesten zugrunde. Für Unruhe bei den Sicherheitsbehörden sorgt jetzt aber ein „Anarchistischer Aufruf“ im Internet. Dort wird zu „Kampagnen im Vorfeld“ aufgerufen. Veranstalter von regulären Demonstrationen bezeichnen die Verfasser als „linke Spinner“, die „ihr demokratisches Ritual spielen wollen“. Selbst setzen die Verfasser auf Gewalt. Damit will man offenbar nicht lange warten. „In Hamburg und in jedem Dorf sind unendlich viele Ziele zum Zerstören geeignet, wir sollten jetzt damit anfangen“, heißt es in dem Aufruf, der mit „Hamburg ins Chaos stürzen“ endet. Die Szene spendet in Form von Kommentaren Applaus.

Dass die gewaltbereite linke Szene das Treffen der OSZE und die Vorbereitungen von militanten Aktionen ausklammert, glauben viele Sicherheitsexperten nicht. „Für die Polizei ist das Treffen der OSZE ein Testlauf für den G-20-Gipfel. Das wird es dann sicher auch für die Gegner sein“, sagt ein Beamter. Wie gut die Lageeinschätzungen der zuständigen Staatsschutzabteilung des LKAs sind, ist unklar. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig. Nach der Enttarnung von ehemaligen V-Leuten ist die Szene sensibilisiert. Sogenannte „Recherchegruppen“ haben Mitglieder der Szene im Visier, bestimmte Aktionen werden mutmaßlich nur in engen Vertrauenszirkeln geplant.

Im Karoviertel sieht man das bevorstehende Großereignis zwiegespalten. „Wir sind größere Sperrungen gewohnt, etwa vom Marathon“, sagt eine Anwohnerin. Die Gastronomen befürchten aber Umsatzeinbußen, es gebe keine Planungssicherheit für die Vorweihnachtszeit. „Eine für den 3. Dezember geplante Hochzeitsfeier haben wir auf Anraten der Polizei absagen müssen“, sagt Anne Knaak, Geschäftsführerin des Stadtteilzentrums SternChance.