Garmisch-Partenkirchen.

Die Fußgängerzone in Garmisch-Partenkirchen ist ein Idyll. Häuser im alpenländischen Stil, Restaurants mit deftiger bayerischer Kost. Eine Spielbank, Juweliere und eine feine Chocolaterie verleihen der Shoppingmeile einen mondänen Touch. Touristen in Funktionskleidung schlendern hier, Menschen aus der Region in Trachten, ein Dutzend Chinesen folgt dem Reiseleiter – und eine Gruppe verschleierter Frauen bummelt mit Shoppingtüten beladen. Multikulti im 26.000-Einwohner-Ort in Oberbayern.

Der Sultan von Oman kommt seit 40 Jahren

„Wir erleben diesen Sommer einen Boom an Gästen aus den arabischen Golfstaaten“, freut sich Tourismus-Direktor Peter Nagel. Die betuchten Touristen aus Nahost sind willkommen, zumal die Russen wegen des Rubelverfalls dem Ort schon in der Wintersaison fernblieben. Mit fast 53.000 Übernachtungen nahmen die Gäste aus Ländern wie Kuwait, Oman, den Emiraten oder Saudi-Arabien schon 2015 den Spitzenplatz unter den ausländischen Gästen ein. Erst dann kamen Amerikaner und Briten. Dabei ist Garmisch-Partenkirchen schon lange bei Arabern beliebt. „Der Sultan von Oman kommt seit 40 Jahren, er besitzt hier ein Anwesen“, sagt Michaela Nelhiebel von der Werbegemeinschaft. Das zieht, genauso wie der Superlativ „Deutschlands höchster Berg“, mit dem die Tourismusbehörde gezielt in den Golfstaaten im Fernsehen und auf Messen die Zugspitze bewirbt.

Die Branche ist auf den Wandel eingestellt, etwa durch Stadtführungen auf Arabisch. „Unsere Hotels sind megaflexibel, um den Wünschen der arabischen Gäste gerecht zu werden“, sagt Jutta Griess vom Hotel- und Gaststättenverband. „Schweinefleischprodukte werden beim Frühstücksbuffet in den Hotels gekennzeichnet.“ Die Familien reisen oft mit vielen Kindern an, die einen besonderen Stellenwert haben. Kein Problem, die Hotels bieten zusätzliche Kinderbetten an. Und das Personal demonstriert Gelassenheit, wenn es im Speisesaal oder am Pool etwas lauter wird. Die Araber, so Unternehmerin Nelhiebel, schätzen an Bayern all das, was sie zu Hause nicht haben. Sattes Grün etwa. Oder kühle Temperaturen, schließlich sind es in der Heimat im Sommer 40 Grad Celsius. „Und sie lieben Regen“, sagt sie. „Während europäische Gäste dann nörgeln, sind die Araber ganz aus dem Häuschen.“ Wenn auf der Zugspitze sogar im Sommer gelegentlich Schnee fällt wie im vergangen Juni, ist das ein Höhepunkt für die Familien.

Wandern oder gar Bergsteigen steht allerdings weniger auf der Agenda. „Sie gehen gern spazieren – oder shoppen“, sagt Nelhiebel.

Das heißt nicht, dass sie nur so prassen. Durchschnittlich ließen Araber sich fünfmal so intensiv beraten, ehe sie eine Kaufentscheidung treffen. „Es gehört zu ihrer Kultur, dass sie erst ein Vertrauensverhältnis zum Händler aufbauen, ehe sie Geld lassen. Und sie feilschen. Unsere Verkäufer wissen das inzwischen.“ Beim Optiker wurde ein separater Raum eingerichtet, in dem die Frauen in aller Ruhe die neuesten Markensonnenbrillen ausprobieren könnten und dabei ausschließlich von weiblichem Personal beraten werden. Arabische Damen erforderten eben ein bisschen mehr Aufmerksamkeit.

Auch Gastronomen seufzen bisweilen. Manchmal belegt eine Familie einen Zehnertisch, bestellt aber nur Wasser und Pommes frites für die Kinder. „Wir mussten uns auch schon von deutschen Gästen beschimpfen lassen“, sagt Gastronomin Christine Akram, die mit ihrem Mann das auf arabische Gaumen eingestellte Restaurant „Akram’s“ betreibt. Stein des Anstoßes war die Sitte, zum Essen die Finger zur Hilfe zu nehmen.

Nelhiebel räumt ein, dass ein Anblick von „zehn verschleierten Frauen in der Fußgängerzone durchaus befremdlich“ wirken könnte. Sie ist jedoch gegen das diskutierte Burkaverbot. „Es sind Gäste, sie wollen ja unsere Kultur nicht unterwandern. Man sollte kein Politikum draus machen.“ Zumal die Gesichtsverhüllungen abgenommen hätten und die Frauen sich zunehmend farbenfroh kleideten.

Komplett den Schwerpunkt auf die arabischen Gäste setzen wie etwa das österreichische Zell am See mit zweisprachigen Ladenschildern oder einem arabischen Supermarkt, das wolle man nicht, so Tourismuschef Nagel. Nicht nur, weil es westliche Touristen abschrecken könne. Nagel: „Es ist immer ein Risiko, nur eine Zielgruppe im Visier zu haben.“