Tokio.

Es war erst das zweite Mal in seiner 28-jährigen Amtszeit, dass sich der japanische Kaiser in einer Fernsehansprache direkt an sein Volk wandte. „Da wir inmitten einer Zeit leben, in der die Gesellschaft rapide altert, möchte ich zu Ihnen darüber sprechen, was die wünschenswerte Rolle für einen Kaiser sein kann, wenn auch der Kaiser altert“, sagte der 82-jährige Tenno Akihito.

In seiner zehnminütigen Rede, die er ruhig und immer wieder lächelnd vorlas, sprach der ergraute Kaiser über seine Sorge, welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft und seine Familie hätte, wenn er wieder krank würde oder aus dem Leben schiede. 2003 überstand der Tenno, wie der Kaiser in Japan genannt wird, Prostatakrebs, 2012 eine Herzoperation. „In den letzten Jahren habe ich gespürt, dass meine Gesundheit nachlässt“, sagte er. Das habe ihn zum Nachdenken über die Rolle des Kaisers gebracht. „Ich spüre ein tiefes Gefühl der Verantwortung, diese Tradition zu beschützen.“ Akihito ist der 125. Tenno.

Allerdings gibt es in Japan bisher kein Gesetz, das regelt, was passiert, wenn der Tenno noch zu Lebzeiten sein Amt verlassen möchte. Direkt von Abdankung zu sprechen, ist dem Tenno, der sich verfassungsgemäß nicht in die Politik einmischen darf, nicht gestattet. Premierminister Shinzo Abe kündigte an, seine Regierung werde über die Worte des Kaisers nachdenken.

Bei Akihitos Ansprache versammelten sich Zigtausende Menschen vor Fernsehbildschirmen an öffentlichen Plätzen. „Ich verstehe ihn“, sagte eine junge Frau den TV-Reportern. „Sein Alter ist fortgeschritten, und er soll sich nicht übernehmen, sondern nur so lange im Amt bleiben, wie er gesund ist.“

Stets mit seiner Frau Michiko an seiner Seite, reiste der Kaiser nach Katastrophen oft in die betroffene Region und sprach den Menschen Mut zu. Gerührt berichtete ein Ehepaar aus dem Nordosten Japans, wo 2011 der Tsunami weite Gebiete zerstörte, von ihrer Begegnung mit den Monarchen. Ihr ergriffenes Lächeln sprach Bände und zeigte, welch wichtigen Platz Akihito und seine Frau in den Herzen vieler Japaner haben – und dass sie sie gern noch länger im Amt sehen würden, auch wenn er in seinem Amt eine rein zeremonielle Rolle und keine aktiv politische einnimmt. Zuletzt war es häufiger vorgekommen, dass das kaiserliche Hofamt Termine an den Kronprinzen Naruhito (56) delegiert hatte. Japanischen Medienberichten zufolge unterliefen dem Kaiser zuletzt kleine Fehler im Protokoll bei Terminen.

Naruhito und seine Ehefrau Masako (52) gelten als äußerst beliebt, und der eifrige Kronprinz schrecke vor keiner Arbeitsbelastung zurück, berichten japanische Medien. Schwieriger zu ertragen ist die Belastung allerdings für Masako, die seit Jahren unter „stressbedingten Anpassungsstörungen“ und Depressionen leidet und jahrelang kaum an die Öffentlichkeit ging. Das Kaiserhaus kommentierte diesen Umstand so sparsam wie möglich, 2015 allerdings machte Naruhito in einem Interview öffentlich, dass seine Frau weiterhin in Therapie ist.

Debatte um Frauen auf dem Thron

Im konservativen Lager wurden im Vorfeld der kaiserlichen Rede Gegenstimmen laut. Es sei ungeklärt, welchen Titel der „Kaiser in Rente“ tragen würde.

Traditionalisten fürchten, dass durch eine Gesetzesdebatte erneut ins Gespräch käme, Frauen auf dem Thron zuzulassen, wie es vor etwa zehn Jahren der Fall war. Doch Akihitos Sohn Prinz Akishino und Prinzessin Kiko beendeten mit der Geburt des kleinen Prinzen Hisahito am 6. September 2006 die Diskussion.

Eigentlich hätte Kronprinzessin Masako, Schwägerin von Akishino, die Pflicht gehabt, der Monarchie einen männlichen Erben zu schenken. Sie wurde allerdings „lediglich“ Mutter einer Tochter – Prinzessin Aiko (14).