Burn-out ist für immer mehr Menschen die Folge von steigendem Druck in Job und Privatleben

Erst wird der Stress verdrängt, später breitet sich ein bleiernes Gefühl der Erschöpfung und Ohnmacht aus. Viele kippen am Ende einfach um – laut Schätzungen sind etwa 25 Prozent der Beschäftigten in Deutschland chronisch erschöpft. „Viele verwenden den Begriff etwas leichtfertig, wir beobachten in unserer Klinik aber durchaus eine Zunahme dieses psychischen Leidens“, sagt Professor Stephan Ahrens, ärztlicher Direktor vom Fachzentrum für Stressmedizin und Psychotherapie, Standort Falkenried-Piazza. Die Arbeitsbedingungen und das häusliche Umfeld seien schwieriger geworden, Erwartungen und zwischenmenschlicher Druck würden steigen.

„In der Firma und in der Familie sind die Zuständigkeiten oft unklar definiert“, sagt Helen Heinemann, Geschäftsführerin vom Institut für Burnout-Prävention (IBP) in Hamburg. Der Dauerbeschuss mit Mails, zahlreiche Meetings und Telefonate – heutzutage sei es im Büro oft nicht einfach, eine Aufgabe ohne Unterbrechung zu Ende zu bringen. Hinzu komme bei vielen die Arbeitsverdichtung, und zu Hause warten danach unter Umständen noch Haushalt und Kinder. Am Ende stellt sich nicht selten das Gefühl dauernder Überforderung ein. „Kommt ein weiterer Stressfaktor hinzu, wie etwa Probleme mit dem Partner, wird es kritisch“, sagt Ahrens. Die Belastungen aus unterschiedlichen Richtungen führen dann für einige unweigerlich in den Burn-out.

„Arbeit allein macht nicht krank“, sagt Dr. Gernot Langs, Chefarzt an der Schön Klinik in Bad Bramstedt. „Meist erkranken Charaktere, die hohe Ansprüche an sich selbst stellen, perfektionistisch veranlagt sind oder einfach nicht ‚nein‘ sagen können“, sagt Heinemann.

„Einem Burn-out geht ein langwieriger Prozess voraus“, sagt Langs. Dabei durchlaufen die Betroffenen unterschiedliche Phasen: vom Idealismus über ein Gefühl der Hilflosigkeit bis zur völligen Erschöpfung.

Vorbeugen lässt sich mit Verhaltensänderungen

„Inzwischen kennt man etwa 130 Symptome, die während des Syndroms auftreten können“, sagt Langs. Dazu gehören etwa Energiemangel, Konzentrationsprobleme, Schlaflosigkeit, Magen- und Darmbeschwerden sowie Schwindel. Ein Alarmsignal sei es, wenn sich auch nach dem Wochenende oder gar drei Wochen Urlaub keine Erholung einstelle und Erschöpfung zum Dauerzustand werde. Wer dann einfach weitermache wie bisher, schlittere unter Umständen nach einiger Zeit in eine der typischen Folgeerkrankungen wie Depression, Angststörung oder eine Sucht, beispielsweise Alkoholismus oder Bulimie.

Vorbeugen lässt sich mit Verhaltensänderungen. „Das bedeutet nicht zwangsläufig, die Arbeitsstunden zu reduzieren“, sagt Heinemann. Den Stresspegel könne auch ein Ausgleich senken, wie regelmäßiger Sport oder wieder mit dem Klavierspielen zu beginnen. „Man sollte etwas für sich selber tun“, sagt Langs. Die Leistungsorientierten müssten jedoch aufpassen, dass aus dem Joggen um die Alster nicht ein verbissenes Training für den nächsten Marathon wird. Zudem seien soziale Kontakte wichtig, denn Freundschaften seien ein gutes Korrektiv zum stressigen Berufsalltag. Ob sich Yoga oder autogenes Training zum Entspannen eignen, müsse jeder für sich entscheiden. „Damit lösen sich aber nicht die Probleme auf der Handlungsebene“, sagt Ahrens.

Wer mehr Unterstützung benötigt, kann sich für ein Coaching anmelden. Die fünftägigen Seminare vom IBP etwa zielen darauf ab, chronischen Stress zu vermeiden und Kompetenzen zur Bewältigung zu stärken. „Dafür betrachte wir, in welchen Lebens- und Arbeitssituationen die Energie verloren geht“, erklärt Heinemann. Müssen immer Aufgaben vom Kollegen übernommen werden? Gibt es Konflikte mit der Schwiegermutter, die mit im Haus lebt? Kümmert sich die berufstätige Mutter allein um die Kinder? Oft helfe es etwa schon, Aufgaben klarer abzugrenzen oder einen festen Homeofficetag einzuplanen. Aber auch Training für mehr Selbstbehauptung und kommunikative Kompetenzen stehen auf dem Programm. Ziel ist es, mit einer guten Work-Life-Balance die seelische Gesundheit langfristig zu erhalten.

„Dreht sich die Stressspirale immer weiter nach oben, hilft nur eine Psychotherapie“, erklärt Ahrens. Nicht selten hat dann bereits eine Depression oder Schmerzstörung eingesetzt. Die Therapie beginnt mit einer Beratung, im Schnitt sei die Behandlung nach 20 bis 30 Sitzungen abgeschlossen. In schweren Fällen könne sie sich jedoch auf bis zu 80 Sitzungen ausdehnen. Ein stationärer Aufenthalt ist etwa bei profunden Angstzuständen ratsam.