Vom Speisezettel auf die Liste der bedrohten Tiere – der Zugvogel wird in diesen Tagen wieder unruhig

„Da brat mir einer einen Storch!“ Diesem Stoßseufzer würden die geplagten Dorfbewohner von Glambeck in Nordbrandenburg am liebsten die Tat folgen lassen. Denn ihr Problemstorch Ronny nervt tierisch, seit er durchgeknallt auf Fensterscheiben und Autobleche hackt – im aussichtslosen Kampf gegen sein eigenes Spiegelbild. Aber ihn aus Rache gleich verspeisen? Das ist verboten. Der Weißstorch steht auf der Liste der bedrohten Arten.

Im Mittelalter war das anders. Da stand der Storch auf dem Speisezettel herrschaftlicher Küchen, so wie zuvor bei den antiken Römern. Juden und Christen schien das ein Graus. Laut Speisevorschrift der Bibel im dritten Buch Mose sollten die Menschen „scheuen unter den Vögeln, dass ihr’s nicht esset“, neben Adler, Habicht, Schwan und Uhu auch den Storch.

So konnte Adebar als Glücksbote durchstarten, stand symbolisch für Treue, liebevolle Würde und Fruchtbarkeit. Das Storchennest auf dem Dach sollte sogar vor Blitzschlag schützen. Chinesen sehen in ihm ein Sinnbild für langes Leben. Dabei wird der Storch kaum älter als 20 Jahre. In der Türkei glauben viele Muslime, dass der Storch die Seele eines Verstorbenen trägt, der es zu Lebzeiten nicht bis Mekka geschafft hat. Die Strecke dorthin wäre für den Zugvogel jedenfalls kein Problem.

Ob ein Pilgerflug Problemstorch Ronny vielleicht heilen könnte? Oder den gleichermaßen verrückten Art­genossen namens Rabauke aus Schafflund im Kreis Schleswig-Flensburg? Die Unruhe der beiden wird in diesen Tagen jedenfalls eher zunehmen – wegen des im August einsetzenden Triebes, der sie gen Süden ziehen lässt.