Vom Versuch eines Vaters, seinen beiden Söhnen ein modernes, vorurteilsfreies Frauenbild zu vermitteln.

Wir sind eine feministische Familie, jedenfalls arbeiten wir daran. Feminismus ist ein ernstes Thema, deswegen dürfen wir Jungs keine Frauenwitze machen. Das wäre diskriminierend. Männerwitze sind dagegen willkommen, findet die Chefin, wegen der Gleichbehandlung.

Früher hätte ich mich getraut zu sagen: weibliche Logik. Heute schweige ich – aus Angst vor einem rüffelnden Blick. Wir Jungs repräsentieren drei Gene­rationen Männer. Ich, 52, bin Alice-Schwarzer-sozialisiert und der unverbesserliche Chauvi.

Für Karl war das Frauenthema in Schule und Uni nicht existent, weil die jungen Frauen sich gar nicht erst diskriminiert fühlen wollten.

Hans wuchs dagegen in einer Zeit auf, da die Führungsrolle der Frau längst selbstverständlich geworden war. So wie wir früher keinen anderen Kanzler als Helmut Kohl kannten, ist Hans von Geburt an ein Kanzlerinnenkind. Im ganzen großen Land entscheidet Mutti; und in unserem kleinen Familiensoziotop auch. Kinderfrage: Dürfen in Deutschland eigentlich auch Männer Kanzler werden? In Großbritannien ordnet nun auch eine Frau, was drei Schlawiner versaubeutelt haben. Dann natürlich Hillary. Und die Gauck-Nachfolgerin. Ich, der Ex-Patriarch, habe mich in meine Altmaier-Rolle gefügt: Klappe halten, aufräumen und dafür sorgen, dass der Kühlschrank ordentlich gefüllt ist. Schön, wenn man seinen Platz im Leben gefunden hat.

Neulich wollte Hans offenbar unsere Erwartungen wegen seines Zeugnisses ein wenig relativieren. Die Mädchen, sagte er, würden bei den Noten bevorzugt. Stünde eine Schülerin exakt zwischen Zwei und Drei, bekäme sie die Zwei, der Junge die Drei. Ich nickte solidarisch. Wissenschaftlich belegt ist der Gender-Pay-Gap: Frauen werden für gleiche Arbeit schlechter bezahlt. Gibt es auch einen Gender-Noten-Gap? Werden Jungs benachteiligt, natürlich nur unbewusst? Kann es sein, dass Mädchen gar nicht besser sind bei den Abschlüssen, wie ja viele Statistiken behaupten, sondern einfach nur die Glücklicheren in der Notenlotterie? Liebe Feministinnen, wenn Sie bis hierher gelesen haben, ist spätestens jetzt der Moment gekommen, einen Internetprotest zu starten.

Wie vermittelt ein Vater seinen zwei Söhnen ein modernes Frauenbild? Neulich war die Chefin ein Wochenende lang auf einem Yoga-Workshop; der ideale Moment für einfühlsame Geschlechterkunde. Ich hatte Currywurst und Pommes für meine Söhne angerichtet, was bei der Chefin selten geduldet wird. Ich hatte die Wäsche aufgehängt, jetzt musste ich nur noch bügeln und die Küche durchwischen.

Wie eröffnet man ein gesellschaftlich relevantes Gespräch? Ich versuchte ein kumpeliges „Und, Mädchen so ...?“ Karl zog immerhin einen von beiden Ohrstöpseln aus dem Gehörgang und lauschte. Hans rollte die Augen, während er eine Nachricht in sein Handy tippte. Karl erzählte die traumatische Geschichte von früher aus dem Kindergarten, wo ein sehr selbstbewusstes Mädchen den Jungen gern mit der Sandschaufel auf den Kopf schlug. Wohlwollend vermerkten die Erzieherinnen, dass dort offenbar eine selbstbewusste Frau heranwuchs. Die Jungs lernten zugleich, dass es keine gute Idee war, zurückzuschlagen.

Das sei ein Einzelfall, sagte ich und bemühte die Evolutionsbiologie: Männer müssen halt immer kämpfen, Frauen halten dagegen eine Gemeinschaft zusammen, damit die Brut geschützt ist. Steuerberaterin, Agentin, Lieblings­kollegin – alles Frauen. Darf man so was überhaupt sagen? Oder verfalle ich in überkommene Rollenbilder?

Die Jungs guckten mich an, ob noch was Wichtiges kommt. Ich mühte mich um eine diskriminierungsfreie Zusammenfassung: „Mädchen sind nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders.“ Hans und Karl nickten, als der Schlüssel sich im Schloss drehte. Die Chefin kehrte zurück. „Was habt ihr das ganze Wochenende gemacht?“, fragte sie. „Papa hat uns Mädchen erklärt“, krähte Hans fröhlich. Die Chefin rollte die Augen. Es war nicht das letzte Fachgespräch.