Ein E-Mail-Wechsel von Abendblatt und „Cicero“
Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, hat in der vergangenen Woche in Berlin die Anbahnung von Rot-Rot-Grün begonnen – oder wie der Herr Hofreiter sagt: von Rot-Grün-Rot? Irgendwie entsteht bei mir das Gefühl, 2017 könnte es so weit sein. Wenn es denn für die drei Parteien überhaupt zu einer Mehrheit reicht. Aber der Experte in solchen Fragen bist natürlich Du!
Schwennicke: Jetzt hast Du die Latte hochgelegt. Die Sache ist die: Eine mathematische Mehrheit ist noch keine politische Mehrheit. Man kann nicht einfach Rot und Grün und Rot zusammenrechnen und dann sagen: Na also, reicht doch! Sobald das offiziell angepeilt wird, verschieben sich diese Zahlen. Das ist Politik. Dennoch muss die SPD meines Erachtens bemüht sein, dieses Tabu zu brechen. Ihr Problem: Die Linke besteht nicht nur aus Bartsch, Ramelow und Gysi. Ihr noch größeres Problem: Ihr Vorsitzender und erster Kandidaten-Kandidat zerlegt sich gerade.
Haider: Sigmar Gabriel musste wegen des geplatzten Edeka-Deals sogar den Urlaub an der Nordsee abbrechen. Was hat er bei seiner Ministererlaubnis für die Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Märkte durch Edeka falsch gemacht?
Schwennicke: Er hat gedacht, er könne den Holzmann-Schröder geben. Der hatte aber kein Gericht, das reingrätschen konnte.
Haider: Bleibt noch die Frage, was der schnelle Machtwechsel in Großbritannien für uns bedeutet. Theresa May kommt mir vor wie eine neue Angela Merkel: Werden sich die beiden gut verstehen?
Schwennicke: Jedenfalls verstehen beide viel von Macht. Die Causa Johnson ist ein so raffinierter Schachzug, dass ich erst verdattert war und dann voller Respekt.
Haider: Das musst Du mir erklären! Ich kann diese Entscheidung bis heute nicht verstehen.
Schwennicke: Im Englischen sagt man: „She’s got him by the balls.“